Freitag, 14. Dezember 2012

Wie Piraten besser zusammenarbeiten

Es gibt Strömungen im Selbstverständnis der Piratenpartei Deutschland, deren Kenntnis die praktische politische Arbeit erleichtert und hilft Konflikte zu lösen:

Menschen sind zu unterschiedlichen Zeiten zur Piratenpartei dazugestossen.

Ich vermute, dass zu Beginn die Mitglieder internertaffine Menschen waren, denen es um bessere politische Antworten im Bereich Internet ging. Als sie hier erfolgreich waren, weitete sich der Blick auf andere benachbarte Themen. Als sie auch hier erfolgreich waren und sich zeigte, dass auch die Art der Piraten Politik zu machen, neu und vielversprechend ist, entwickelte sich ein Interesse zu noch mehr, letztlich zu allen gesellschaftlichen Themen politische Antworten zu formulieren.

Dabei gibt es nach meiner Wahrnehmung zwei Strömungen:

Piraten, die schon länger dabei sind, suchen auf Basis von piratigen Grundüberzeugungen nach neuen Antworten: Zum Beispiel überlegt man, ob ein Ansatz wie Netzneutralität als ein Ordnungsprinzip in der Wirtschaft anwendbar ist, aus der Tatsache, dass die Piraten selbst eine transnationale Bewegung sind, formuliert man die Forderung, dass die Aussenpolitik das Wohlergehen aller Menschen der Welt im Auge behalten muss.

Piraten, die erst später dazugekommen sind, vielleicht nach dem Erfolg bei der Berliner Wahl im Herbst 2011, sind stark angezogen von der neuen Art Politik zu machen und sehen die Piraten als Mitmachpartei. Ihnen geht es darum mit der piratigen Methode und auf der Basis einer grundsätzlichen Werteübereinstimmung die besten politischen Antworten auf die jeweiligen gesellschaftlichen Fragen zu finden.

Urpiraten:   nur Kernthemen
Mittelpiraten: Piratenperspektive zu weiteren oder allen Themen
Neupiraten: mit piratiger Methode zu neuen Antworten zu allen Fragen

Eine Piratenpartei aus Urpiraten und Mittelpiraten wäre eine Art Klientelpartei für internetaffine Menschen. Sie würde politische Antworten formulieren mit internetaffinen Menschen als Zielgruppe.

Neupiraten sehen das Potential, mit der Piratenmethode zu gesellschaftlichen Antworten zu kommen, die den Antworten aller anderen Parteien überlegen ist. Überlegen heisst, dass sie für die Gesellschaft als Ganzens die jeweiles besten Antworten sind. Sie haben als Zielgruppe alle Menschen einer Gesellschaft.

Ich denke alle drei Strömungen haben auch in Zukunft ihre Berechtigung. Sie sollten aber voneinander wissen und sich respektieren. In der Formulierung von politischen Antworten kann es dabei zu Konflikten kommen, die mehr oder weniger gut auflösbar sind. Es ist eine Abwägungssache und letztlich eine basisdemokratischer Prozess, bei welchen Themen welche Perspektive wie stark die jeweilige politische Antwort prägt.

Mittwoch, 19. September 2012

Pragmatismus versus Konstruktivismus

Ergänzend zu meinen Feststellungen vom 12.09.2012 hat das Urteil des BVerG eine noch tiefergehende Bedeutung:

Wie an anderer Stelle noch näher auszuführen gibt es in Europa unterschiedliche Politikstile, die auf unterschiedlichen Ansätzen der politischen Philosophie der jeweiligen Länder basieren. In Deutschland wird über einen stark von Kant geprägten "Konstruktivismus", der die Welt im Schillerschen Sinn geistig vorweg nimmt, ein Ideal gestaltet und versucht dieses umzusetzen. In Frankreich und England und möglicherweise auch in Südeuropa dominiert ein Pragmatismus, der schaut wie die Verhältnissen sind und wie sie im Sinne der jeweiligen Interessen verändert werden können, wenn man die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt.

Mein bisheriger Stand war der, dass durch die europäische Integration die Notwendigkeit und die Chance besteht, beide Ansätze zu einer Synthese zu integrieren und dass auf dieser Basis eine bessere politische Praxis entstehen könnte.

Das BVGer ist bisher von seinem Grundverständnis und auch mit seinen Positionen zur Europäischen Integration sehr vom deutschen Konstruktivismus geprägt.

Wie das Urteil zeigt, kann es diese Linie aber in der aktuellen Konstellation nicht aufrecht erhalten. Das bedeutet, dass es wohl weniger zu einer Synthese dieser Politikstile kommt, sondern es wahrscheinlicher ist, dass Deutschland seine Kultur Politik zu gestalten auf der europäischen Ebene aufgeben oder zumindest stark anpassen muss. Es wäre dann naiv für deutsche Parteien anzunehmen, dass sie zum Beispiel in Europa gemeinsam mit den Partnern politische Instiutionen aufbauen können (europäische Verfassung, Europäischer Verfassungsgerichtshof), der anolog zur deutschen Situation durch einen starken Konstitutionalismus geprägt ist. Analog zu der von mir am 12.09. beschriebenen Situation des Euro, der nach derzeitigem Ermessen wohl zur Weichwährung wird,  wären auch eine Europäische Verfassung und eine europäische Verfassungsgerichtsbarkeit stärker der Politik untergeordnet und damit defakto pragmatisch ausgerichtet. Hier hat sich das BVerG bereits eingeordnet.

Beleg:

siehe zum Beispiel hier

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1864919/

Auszug:

ZITAT: "Ich denke, dass sicherlich in sehr vielen Mitgliedsstaaten, das hängt auch sehr stark von ihrer Prägung ab, vielleicht auch der französische Rechtskreis, das französische Verständnis von Recht und Politik, das ist ja nicht nur in Frankreich, sind ja auch andere Mitgliedsstaaten, die so ticken dann, doch der Primat des Politischen höher ist, und deshalb diese starke Verrechtlichung, für die das Verfassungsgericht ja steht, mit einem Stirnrunzeln gesehen wird"

, sagt Frank Schorkopf, Völker- und Europarechtsprofessor von der Universität Göttingen.

"Ich habe das selbst mal erlebt, dass dann französische Juristen sagen: Wenn es einen politischen Konsens gibt, wo ist dann das Problem? Dann wird das Recht eben geändert und angepasst."

In Deutschland ist man gewohnt, die Politik als ein Produkt der Verfassung zu sehen. In den meisten anderen Ländern ist es eher umgekehrt: Die Verfassung ist ein Produkt der Politik.  ZITAT ENDE

link zum Konstruktivisums in der Politikwissenschaft:
http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1515654764863071672#editor/target=post;postID=7759830528328212971
link zum Konstitutionalismus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstitutionalismus

Freitag, 14. September 2012

Euro Dollar AUD

Der starke Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar im letzten Monat hat mich sehr verblüfft. Fundamental sehe ich dies in dieser Größenordnung nicht begründet. Das Einzige, das mir als Erklärung dazu einfällt, ist, dass auf den Finanzmärkten durch die Entscheidungen der EZB, des BVerG und der FED und deren Vorwegnahme durch die Märkte innerhalb kurzer Zeit sehr grosse Anlagebeträge in den Euroraum geflossen sind. Wie geht es weiter? Bis auf weiteres werden diese Gelder hier bleiben, es werden möglicherweise noch welche hinzukommen. Wenn aber andere Meldungen auftauchen, die kritisch gegenüber der Eurozone sind, kann sich diese Entwicklung sehr schnell umkehren. Außerdem kann es grosse Volatilitäten geben. Sieht das bezüglich EUR.AUD anders aus? Fundamental scheint mir die Aufwertung des AUD stabiler und weniger volatil (auch wenn die 4 letzten Wochen und die heutige Tagesentwicklung das nicht zeigen), da die Probleme in Südeuropa gross sind und fundamental fortbestehen und die Massnahmen von ESM und EZB die Geldmenge eher erhöhen werden. Vielleicht ist der AUD aber insofern volatiler, dass der Markt dafür kleiner ist. Ausserdem gibt es da auch Risiken, wenn der Rohstoffhunger Südostasiens im Zuge einer möglichen konjunkturellen Abkühlung nachlässt. Falls es zu einem grösseren Krieg kommt, was ich nicht hoffe, wird die Risikoneigung der Finanzmärkte zurückgehen und das den Dollar stärken.

Mittwoch, 12. September 2012

Nach dem Urteil

Wo stehen wir in Europa heute?

Erstens haben sich traditionelle deutsche Interessen an einer stabilen Währung und soliden Haushaltspolitik offenkundig in Europa nicht durchsetzen können. Rückblickend betrachtet muss sagen, dass eine gegenteilige Erwartungshaltung sehr ambitioniert war. Unabhängig von den Europäischen Verträgen und den politischen Akteuren und Institutionen ist das europäische Projekt so weit fortgeschritten, dass es soviel Masse hat, dass es quasi einfach weiter fährt.

Das heisst wir werden wohl eher eine Weichwährung in Europa bekommen, bzw. kein Geld mit der Funktion der Wertaufbewahrung, sondern eher ein Zahlungsmittel mit der Funktion Kauf/Verkauf und Zahlungen zu ermöglichen. Deutsche werden sich dem weiter anpassen, wie sie das bereits seit einigen Jahren tun, insofern sie Immobilien und andere Sachwerte kaufen. Das Sparbuch und die klassische Lebensversicherung haben ausgedient.

Etwas offener scheint die Frage, ob Europa bereits eine Transferunion ist und bleibt. Hier muss sich zeigen, wie die politische Willensbildung erfolgt.

Wie ist das insgesamt zu bewerten? Mit einem Zahlungsmittel anstelle einer Währung kann man auch als Deutscher leben. Letztlich ist hier wohl eine Mehrheit bereit dies als Nachteil für die europäische Integration zu akzeptieren, quasi ein praktischer Kurs in „savoir vivre“. Man kann sicher versuchen, das Zahlungmittel etwas stabiler zu machen, aber ob dies ins Gewicht fällt, muss sich zeigen.

Vom übergeordneten Standpunkt aus betrachtet gilt:

1. Der Wunsch nach einem vereinten friedlichen Europa mit guten demokratischen Institutionen auf allen Ebenen kann und sollte weiter verfolgt werden. Die Frage, wie die Institutionen und die Politiken auszugestalten sind, damit in Europa Ziele wie Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand, soziale Gerechtigkeit/Fairness und soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit möglichst gut erreicht werden, ist im politischen Prozess zu konkretisieren.

2. Es ist ziemlich transparent geworden, dass Demokratie kein Automatismus ist und dass auch unsere politischen Institutionen anfällig sind, an demokratischer Qualität einzubüßen und letztlich in ihrer Qualität durch die Wachsamkeit und die Beteiligung der Menschen immer wieder gestärkt werden müssen. Das heisst, es hat sich gezeigt, dass Demokratie letztlich nicht komplett deligiert werden kann, übrigens auch nicht an die Piraten. Jeder Mensch, der sich politisch engagiert und verantwortlich fühlt, ist grundsätzlich ein Gewinn für die Gesellschaft.

Ein differenzierter Artikel zur Zukunft Europas hier:


Montag, 27. August 2012

EZB statt ESM

Aktuell spricht vieles dafür, dass die ECB entgegen dem Widerstand der Bundesbank Staatsschuldenfinanzierung in Europa betreibt, siehe hier:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/jens-weidmann-gegen-anleihekaeufe-eine-gegenstimme-viele-deutungen-11842817.html

Interessant wäre zu erfahren, ob Deutschland irgend eine Handhabe hat, falls die ECB dauerhaft und massiv entgegen ihrem vertraglich festgesetzen Mandat Staatsfinanzierung und Bankenrettung betreiben wird. Könnte man die ECB verklagen auf Unterlassung? Ich vermute nicht.

Ist das jetzt ein Fall, der zeigt, dass es schief gehen kann, wenn man von einer relativ starken Institution (Bundesbank) Souveränität auf eine andere politische Institution überträgt (ECB)? Ich vermute ja.

Ist das eh alles egal, insofern dass auch Deutschland ja selbst frühzeitig z.B die Maastricht-Kriterien gebrochen hat? Ich denke Rechtsstaatlichkeit ist immer noch ein extrem wichtiges Prinzip, auf allen Ebenen. Ich denke außerdem, dass es zeigt, dass es besser wäre auf europäsicher Ebene auch eine Verfassung und ein Verfassungsgericht zu haben (wenn auf dieser Ebene bereits so viele Entscheidungsbefugnisse angesiedelt sind) und im Zweifel sogar eines, dass berechtigt wäre Mandantsverletzungen einer sonst unabhängigen Institution wie einer Zentralbank zu unterbinden (wenn sie eindeutig gegen die Verfassung verstösst).

Oder ist das eher ein Fall, dass wir nicht so borniert sein sollten und uns neuen Erfordernissen anpassen sollten? Eher nicht, denn dann müßte darüber offen debatiert werden und zum Beispiel das Mandat der ECB angepasst werden. Ich sehe nicht, dass dies Debatte geführt wird und dieser Prozess demokratisch stattfindet.

In einer politikphilosophischen Perspektive zeigt sich auch hier, das Deutschland quasi "kantisch"/konstruktivistisch mit den Vorgaben eines klaren Mandates Geldwertstabilität und Unabhängigkeit unterwegs ist und dass alle anderen Länder eher pragmatisch/realpoltisch agieren.
Wie ist das zu bewerten? Am kreativsten wäre es wohl, das Positive daran zu sehen, dass wir uns eben gerade mit unseren unterschiedlichen Kulturen in Europa auseinandersetzen und die Chance haben, zu einer Synthese zu finden. Draghi geht ja auch zumindest etwas auf die deutsche Position mit der Forderung nach Konditionalität ein. Ich vermute unter dem Strich kann dabei sogar etwas Besseres herauskommen als  bei der Geldpoltitk der FED  oder der Bank of England. Falls alle drei Finanzsysteme kollabieren, ist es wohl aber nur ein gradueller Unterschied oder die Frage wer zuerst kollabiert. Zur Zeit ist mehr Drama in Europa aber mittelfristig fährt die USA die riskantere Geldpolitik. Dazu passt:

Maximilian Steinbeis: Generally, the treaties have stirred a tremendous lot of unrest in Germany. Many fear for democracy itself. Not so in France, apparently. Why is that?

Guy Carcassonne, professor of constitutional law at the University of Paris: The explanation is quite simple: German people are far more serious than French people (laughs). They are far more into principles, whereas in French politics they struggle about symbols. As to parliamentary democracy, the French parliament is not as prominent as the German one. People here are much accustomed to parliament being quite obedient to the executive power, and so, if the parliament loses some ability or another, it’s not a trauma. Most of the budget is run by the government, anyway.

http://verfassungsblog.de/embark-global-constitutional-process-fail/#comments

Meine aktuelle Einschätzung zur Frage einer möglichen Synthese ist allerdings, dass das zu optimistisch ist und die unterschiedlichen Kulturen in Europa nicht genügend berücksichtigt. Vielleicht könnten wir dorthin nach 20 Jahren eines guten Miteinanders gelangen, bei dem in diesem Bereich erst mal jeder nach seiner Facon glücklich werden kann.

Freitag, 3. August 2012

Olympia 2012

Ich denke einen Medaillenspiegel muss man nicht übertrieben wichtig nehmen, aber wenn er schon mal da ist, warum dann nicht ergänzend die Europäische Union ausweisen?

Freitag, 13. Juli 2012

Neues von der Eurozonenkrise

1. Spanien: Der spanische Wirtschaftsminister hat einen schweren Stand, aber er macht das Beste daraus, Respekt:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html

Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.

2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html

Schützenhilfe für das Bundesverfassungsgericht

1. Bundesbankpräsident Weidmann stellt sich im Streit um den ESM nach meiner Interpretation nicht auf die Seite der Bundesregierung :

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verhandlung-vor-bundesverfassungsgericht-der-bundesbankpraesident-zweifelt-an-den-esm-regeln-11816452.html

2. der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof stellt sich nach meiner Interpretation auf die Seite der Kläger:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html

Mit den 200 Ökonomen um Sinn, mit Bundesbankpräsident Weidmann und mit dem ehemaligen Bundesverfassungrichter Kirchhof gibt es eine wichtige Personengruppe, eine wichtige Institution und eine nicht unwichtige Einzelperson, die bei einer Ablehnung des Vertrages zum ESM durch das Bundesverfassungsgericht informell die Verantwortung für die Folgen mit dem Bundesverfassungsgericht teilen würden. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen dafür, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei dem riesigen faktischen Druck der Regierungen Europas, in ihrem Sinn zu entscheiden, sachlich fundiert entscheiden kann und wird.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Alternativen zum ESM

Ergänzend zu dem Vorschlag von debt equity swaps zur Rekapitalisierung südeuropäischer Problembanken siehe hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-die-risiken-der-rettungspolitik-11814959.html und hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-im-wortlaut-zur-europaeischen-bankenunion-11815081.html  könnte auch Schwarmfinanzierung ein konstruktiver Beitrag sein:

Verständnis-Frage:

Wie ist das eigentlich, wenn man sich bzgl. der südeuropäischen Krisenbanken auf debt equity swaps zur Rekapitalisierung einigen könnte. Würde das nicht bedeuten, dass in Bezug auf die jeweiligen Staatsschulden letztlich auch eine Teilinsolvenz wie in Griechenland geschehen weniger problematisch ist? Bisher wird ja so argumentiert, dass eine Teilinsolvenz von Staaten Probleme bei den systemrelevanten Banken auslöst, mit der Gefahr einer unkalkulierbaren Kettenreaktion.
Wäre so nicht dieser Teufelskreis von Staats- und Bankschulden unterbrochen? Und das Ganze sogar ohne einen ESM!?!



Dienstag, 10. Juli 2012

demokratische Qualität von politischen Institutionen


Die aktuelle Entwicklung in der Eurozone zeigt, dass in Krisensituationen auch die Bundesregierung mit einer grundsätzlich demokratischen Verfasstheit, Tradition und Ausrichtung im gut gemeinten Willen die Krise zu bewältigen, Tendenzen entwickelt, die faktisch die Demokratie gefährden, zum Beispiel, indem sie andere Teilnehmer im demokratischen Prozess tendenziell schwächt: wie die faktische Einschränkung der Rechte des Bundestages durch EU-Verträge (siehe ESM), das Unter-Druck-Setzen des Bundesverfassungsgerichtes über die Medien durch einzelne Politiker oder der Versuch notwendige Debatten über die Richtigkeit ihrer Politik zu unterbinden (Darstellung als alternativlos, auf die kritische Stellungnahme von mittlerweile 200 Ökonomen zum ESM wird mit Empörung und herabsetzender Kritik reagiert). Noch größer ist die Gefahr der Schwächung demokratischer Institutionen auf der europäischen Ebene, da hier die Institutionen bis dato ein strukturelles Demokratiedefizit aufweisen (keine Verfassung, keine repräsentative Wahl, keine vom Parlament gewählte Regierung, kein Recht zur Gesetzesinitiative des Parlamentes). In der Bevölkerung ist hier viel eher eine Wahrnehmung für diese Gefahren vorhanden.

Bezüglich einer Debatte über die demokratische Qualität unserer politischen Institutionen und von sinnvollen Schlussfolgerungen und Lösungsmöglichkeiten stehen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene noch ganz am Anfang.

Nach dem Buch "Why nations fail" von Acemoglu und Robinson http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 bestimmt die Qualität der politischen Institutionen eines Landes entscheidend den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies langfristig wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren. Qualität machen sie dabei daran fest, ob die Institutionen extraktiv sind, also eher so konstruiert sind, dass sie einer Minderheit dazu dienen eine Mehrheit materiell auszunutzen oder „inkludierend“ also so konstruiert sind, dass mehr oder weniger alle in der Gesellschaft am Wohlstand teilhaben, zumindest hinsichtlich einer gewissen Chancengleichheit (historisch z.B. Nordamerika versus Südamerika). Auch hier stehen wir erst am Anfang der Wahrnehmung dieser Zusammenhänge und einer Debatte über die sinnvollen Schlußfolgerungen. Inbesondere stellen sich die Fragen, 1. ob die Autoren recht haben, 2. wie diese Erkenntnisse grundsätzlich zu einer Stärkung der demokratischen Qualität von politischen Institutionen genutzt werden können, 3.ob und wie sich diese Erkenntnisse auch auf die supranationale Ebene übertragen lassen, insbesondere die Europäische Union und wie sie dort angewandt werden können und 4. ob nicht auch in den historisch eher inkludierenden westlichen Industrienationen sich mehr und mehr Tendenzen breitmachen, die eher extraktiven Charakter haben und wie sinnvoll damit umgegangen werden kann.

Mein bisheriger Stand ist der, dass man versuchen sollte, die demokratische Qualität von politischen Institutionen zu messen, indem man geeignete Meßkriterien festlegt und unabhängige Organisationen findet, die dies übernehmen können (evtl. ähnlich wie Transparency International oder abgeordnetenwatch.de ein institutionenwatch.de/eu.) Die Ergebnisse sollte man bei einer zukünftigen institutionellen Umgestaltung Europa berücksichtigen.

Außerdem sollte man alle demokratischen Prozesse unterstützen, bei denen die Bevölkerung sich politisch einbringt und so selbst quasi ständig auf die politischen Institutionen Druck ausübt, dass diese inkludierend werden oder bleiben. Ich glaube, dass eine Debattenkultur durch das Internet mit Foren, Blogs, Kommentierungsmöglichkeiten genau in die richtige Richtung geht, ebenso wie Volksentscheide.

Sonntag, 8. Juli 2012

Soll Europa langfristig ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sein?



"Bei Staatenbünden liegt die staatliche Souveränität immer noch bei den einzelnen Staaten. Bei der Gründung eines föderalen Gesamtstaates hingegen geben die nachmaligen Gliedstaaten – wie etwa in Deutschland und Österreich die Länder/Bundesländer, in der Schweiz die Kantone oder in den USA die Bundesstaaten (states) – ihre Souveränität teilweise an den Bund ab"
 
Bei einem föderalen Europa würde also staatliche Souveränität an eine europäisch Exekutive, Legislative und Judikative abgegeben.

weiter bei Wikipedia:
"Dies äußert sich insbesondere dadurch, dass im Bundesstaat der Bund die sogenannte Kompetenz-Kompetenz (oder auch Kompetenzhoheit) besitzt. Diese ermöglicht es ihm, die Kompetenzen zur Wahrnehmung neuer Staatsaufgaben aus seiner eigenen Machtfülle heraus an sich zu binden. Die Gliedstaaten können die Erfüllung von Staatsaufgaben nur in dem Maße selbst leisten, wie ihnen die dafür nötigen Kompetenzen vom Bund zugestanden werden. In Staatenbünden hingegen entscheiden die einzelnen Staaten, ob sie dem Bund Kompetenzen überlassen wollen."

Aha, letztlich muss klar sein, wer das Sagen hat.

In einer Demokratie mit einer Verfassung sollte die Souveränität vom Volk ausgehen.

These 1: Solange sich in Europa die überwiegende Mehrzahl der Menschen in ihrer Identität noch mehr als Teil eines Staatsvolkes als als Teil des europäischen Volkes begreifen, solange geht von den einzelnen Völkern die Souveränität aus und solange sollte die Kompetenz-Kompetenz auf nationalstaatlicher Ebene verbleiben.

These2: Langfristig ist die Vision eines zentral verfassten Europas, legitimiert durch ein europäisches Staatsvolk, dennoch sinnvoll.

These 3: Auch wenn die Kompetenz-Kompetenz auf nationaler Ebene verbleibt, ist es sinnvoll und möglich eine demokratisch verfasste europäische Föderation zu schaffen, bei der eine europäische Exekutive, Legislative und Judikative in einigen Politikbereichen die wichtigste Ebene darstellt.

These 4: Um dort hinzugelangen, sollten wir einen europaweiten Diskurs führen und die bestehende Europäische Union auf dem jetzigen Stand fortführen, aber nicht versuchen kurzfristig weiter Souveränität nach Brüssel abzugeben. Sollte der Euro nicht mehr zu halten sein und die Euro-Zone (17 Staaten) zerbrechen, sollten wir auf der Ebene der Europäischen Union (27 Staaten) auf der derzeitigen Vertragsbasis weiter zusammenarbeiten.

weitere Fragen:

Ist die Tatsache, dass in Europa viele Sprachen gesprochen werden, die für die Menschen identitätsstiftend sind, ein Hinderungsgrund, um langfristig zu einem europäischen Staatsvolk als souveräner verfassungsgebender Ausgangspunkt für eine europäische Föderation mit Bundesstaatscharakter zu gelangen?

Es erschwert sicher die Sache, ist aber kein absoluter Hinderungsgrund. Die Schweiz zeigt, dass eine nationale Identität auch bei mehreren Sprachen möglich ist. In der Schweiz gibt es aber einen Gründungsmythos, der identitätsstiftend ist und eine gemeinsame Geschichte. Und es gab wohl einen sehr großen Druck sich gegen übermächtige Gegner zusammenzuschließen. Ich denke mit den Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg und der historischen Entwicklung der Europäischen Union, mit den „Gründervätern“ De Gaulle und Adenauer haben auch wir eine identitätsstiftende Geschichte als Europäer, eingebettet in den weiten historischen Kontext der europäischen Geschichte mit der griechisch/römischen Zivilisation und dem christlich-jüdischen Erbe. Ich denke aber, dass zu unserer Geschichte kurz-und mittelfristig eher eine europäischen Föderation passt, bei der die Kompetenz-Kompetenz noch auf nationalstaatlicher Ebene liegt, als dazu bereits jetzt einen föderalen Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild zu gestalten. Ich glaube ein guter Umgang mit der aktuellen Finanz-und Eurozonenkrise kann aber dazu beitragen in diesem Sinne weiter zusammenzuwachsen. Das hiese für mich aber eher Euroaustritte und Staatsinsolvenzen zuzulassen und dabei die Erfahrung zu machen, dass uns das in Europa eben nicht auseinanderreisst!

Würde in einem europäischen Bundesstaat sich letztlich eine gemeinsame Amts- und Geschäftssprache durchsetzen, was bei globaler Perspektive wohl Englisch wäre?

Ich vermute ja und für mich persönlich wäre es in Ordnung, da ich zwei Jahre in England gelebt habe. Ich vermute aber, dass es bei der Mehrheit der Europäer dazu eher Vorbehalte gibt. Vielleicht entschärft sich aber bis dahin dieses Problem durch technische Hilfsmittel wie spracherkennungsbasierte simultane Übersetzungsprogramme auf Smartphones oder ähnlichem.

2 Aspekte zum ESM, 1 Aspekt zum Euro

1. zum Thema, dass Bundespräsident Gauck das Gesetz zum ESM auf Bitten des Bundesverfassungsgericht nicht unterschrieb und Eilanträge deshalb behandelt werden können, schreibt die FAZ heute, dass beim EFSF Herr Gauweiler ebenfalls einen Eilantrag stellte, aber Bundespräsident Köhler dem durch eine Unterschrift zuvorgekommen ist. Ich bin sehr froh, dass Herr Gauck aktuell dieses Amt bekleidet. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesverfassungsgericht-europa-haengt-an-einer-unterschrift-11813446.html

2. Den 172 Ökonomen wurde vorgeworfen, keine Lösungsvorschläge zu machen. Prof. Sinn bereits am 29.06.2012 sehr knapp und einfach in Bezug auf die südeuropäsichen Bankschulden von ca. 2 Billionen Euro ab 32min50sec: http://www.youtube.com/watch?v=Ui0NOk_lSbU&feature=tn debt equity swaps: also die jeweiligen Gläubiger der jeweiligen Banken müssen ihre Forderungen in Eigenkapital der Banken umwandeln lassen. Finde ich sehr gut.

3. Bernard Lietaer argumentiert, dass ein Finanzsystem durch eine Vielfalt von Währungen mit paralleler Gültigkeit an Stabilität gewinnt. Auch wenn ich mir bei vielen seiner Aussagen nicht sicher bin, ob er recht hat, leuchtet mir obige Grundaussage ein. Sie ist genau das Gegenteil des Euro. http://www.youtube.com/watch?v=5Zoud9tFEmwhttp://www.youtube.com/watch?v=T9EI2PrDpmw

Freitag, 6. Juli 2012

Gastbeitrag von Alan Winkleman als Antwort auf Singulus

Eine sehr gute Analyse, Singulus !

Alles was man entscheidet birgt Risiken und keine® weiß wo das endet. Im
Schachspiel nennt man so eine Position 'Zugzwang'. Man möchte eigentlich
alles so stehen lassen, aber das geht eben nicht.

Wir erleben Geschichte ....... und die bleibt eben nie still. Ganz kleine
Spannungen fürhren langsam und unaufhörlich zu Situationen, wo die
aufgestaute Spannungen sich in einem Beben entladen.

Überall wo man hinschaut, steigern sich die Spannungen - eine Experte
sagte vor 3 Tagen, daß er vermutet, Chinas Wachstum läge eher bei 0% als
die offizielle Statistiken (7 bis 8%). Vor ein paar Monaten hat Chinas
Regierung verfügt, daß Beamte keine ausländische Autos mehr kaufen
dürfen - ein Desaster für BMW usw.

Japan - laut deren Finanzminister ist in 10 Wochen zahlungsunfähig, wenn
die Anleihe-Gesetze nicht geändert werden.

http://derstandard.at/1341526711298/Blockade-Japan-drohen-Zahlungsschwierigkeiten

Die Probleme Europas und der USA sind bekannt.

Die globalisierte Weltwirtschaft sitzt in *einem *überschuldeten Boot,
das leck geworden ist. Man versucht überall die Löcher zu stopfen
........
Bloß kein Panik !

Alan Winkleman
Hannover

Gastbeitrag von Singulus zur Eurozonenkrise

Ohne Abwertungsmöglichkeit und Strukturreformen werden Länder wie Griechenland nicht auf eigene Beine kommen bzw. die Arbeitslosigkeit wird sich weiter steigern (in Spanien Jugendarbeitslosigkeit jetzt 54%!).

Während die Politiker das Gesicht wahren wollen und aus politischen Gründen ("Frieden für Europa") am Euro festhalten wollen, wird die öffentliche Meinung in den Krisenländern früher oder später erkennen, daß die Probleme nicht an Deutschland liegen (wie man zu ca. 70% heute annimmt), sondern an der Euro-bedingten fehlenden eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Da notwendige Lohnsenkungen von ca. 20-30% politisch nicht durchsetzbar sind, wird sich das Arbeitslosenproblem so lange verschärfen, bis die
Arbeitnehmer erkennen werden, daß die simple Frage lautet: Will man den Euro oder will man wieder einen Arbeitsplatz? Damit dürfte sich das Schicksal des Euros von dieser Seite her entscheiden, so daß es voraussichtlich in zwei bis drei Jahren den Euro in seiner heutigen Form nicht mehr geben wird.
Die volkswirtschaftlich wohl beste Lösung wäre ein deutscher Euro-Austritt (Artikel am 02. Juli in der britischen "Financial Times": "A Euro crisis solution – a German exit"), dies wird aber aus politischen Gründen nicht stattfinden. Es ist also eher wahrscheinlich, daß die Mittelmeerländer nach und nach in den nächsten zwei bis drei Jahren austreten werden. Bis dahin können sich allerdings erhebliche weitere Verschuldungsberge auftürmen.
Bis zu einer marktwirtschaftlischen Lösung gibt es im Grunde nur zwei Wege, den praktisch schon seit Dezember nicht mehr selbständig lebenden Euro zu erhalten: Die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen in den Mittelmeerländern kann einerseits durch – im wesentlichen – Gelder aus Deutschland, andererseits durch neu gedrucktes Geld geschlossen werden. Zunehmend wird die zweite Alternative (EZB-Gelddrucken) notwendig werden, da, die Club Med-Probleme Deutschlands Finanzkraft
weit übersteigen. Dies hieße am Schluß dann auch deutlich mehr Inflation ....

Mittwoch, 4. Juli 2012

Bundestag und ESM


Mit dem Einknicken der Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel letzten Donnerstag und der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates zum ESM und zum Fiskalpakt haben die wichtigsten bundesdeutschen politischen Institutionen der Exekutive (Bundessregierung) und der Legislative (Bundestag, Bundesrat) versagt insofern, dass sie die Interessen des Souveräns sehr schlecht vertreten haben. 

In der historischen Perspektive ist Deutschland nicht das Land, das sich durch eine hohe Qualität von demokratischen Institutionen auszeichnet. England, die Schweiz aber auch Frankreich und die Niederlande haben da eine weitaus längere und bessere Tradition. 

Wenn die These von Acemolgu und Robinson in ihrem Buch „Why nations fail“ stimmt, dass für den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft weniger deren Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren sondern die demokratische Qualität ihrer politischen Institutionen zählt, dann ist es eigentlich nur konsequent, dass Deutschland mit diesen aktuellen Entscheidungen einen erheblichen Anteil seines Wohlstandes an die europäischen Nachbarn und/oder an weltweit agierende Finanzinteressen abgibt und in seinem Wohlstandsniveau zurückfallen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob die Judikative (das Bundesverfassungsgericht) so stark ist, dass sie das Versagen der anderen Institutionen ausgleichen kann. Wie auch immer, letztlich ist es Aufgabe des Souveräns, also von uns allen, an der Qualität seiner Institutionen zu arbeiten und sich so einzubringen, dass sie in Zukunft besser werden. Für noch nicht etablierte Parteien in Deutschland, die es diesbezüglich besser machen wollen, könnte es derzeit keine besseren Voraussetzungen geben.

Sonntag, 1. Juli 2012

Tipp einer Neuenjährigen


Gestern abend versuchte ich meiner Tochter in einem Satz die aktuelle Eurozonenkrise zu erklären: Das Problem sei, dass unsere Steuergelder in die schwächeren Euroländer flössen und deshalb dort weniger Anreize entstünden, selbst effizienter zu wirtschaften. Die Antwort meiner Tochter erstaunte mich: Immer würde über Geld geredet und gestritten. Es wäre doch klar, dass wir in Europa einander helfen wollen. Wir sollten einfach den schwächeren Ländern dabei helfen, dass sie diese Dinge hinbekommen aber eben ohne Geld. Das erinnert mich an die Hinweise von Nils Minkmar in seinem FAZ-Artikel, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-methode-merkel-ich-bin-doch-hier-was-wollt-ihr-mehr-11804172.html : Außenminister Genscher hätte in dieser Situation seinen 2. Wohnsitz in Athen genommen und sich erst einmal mit dem griechischen Außenminister angefreundet und der amerikanische Stil von public diplomacy wäre es gewesen, Bill Clinton oder Bush Senior mit Kraftwerken oder Krankenhäusern im Gepäck hinzuschicken. 

Millionen als Mutmacher unter Freunden statt Milliarden.

"Währung" das falsche Wort für den Euro ?


Erstaunlich wie viel Wahrheit in der tieferen Bedeutung eines Wortes liegen kann:

Das Wort „Währung“ stammt vom mittelhochdeutschen „Werunge“ ab. „Werunge“ ist mit dem Wortstamm „Wert“ und „Wahr“ verwandt. Das Englisch/Amerikanische „currency“ stammt vom mittleralter-lateinischen „currentia“ ab, was widerum vom lateinischen „currens“ abstammt. „currens“ bedeutet „rennend“. Im lateinischen und englisch/amerikanischen Kulturraum stand und steht also die Funktion des Geldes umzulaufen im Vordergrund, also den Warenverkehr zu erleichtern. Im deutschen Kulturraum war die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel wortbildend. Beide Funktionen sind wichtige Geldfunktionen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in der jeweiligen Gewichtung tatsächlich unterschiedliche Vorlieben gibt, die sich nicht nur in der Wortwahl, sondern auch in der Wertentwicklung einer Währung auswirken. Außerdem könnte man auch umgekehrt argumentieren, dass die mehr oder weniger unbewußt wahrgenommene Wortbedeutung die kulturellen Präferenzen einer Gesellschaft beeinflussen, ob sie eher eine stabile Währung entwickelt oder eher die Funktion eines flüssigen Warenaustausches im Vordergrund steht und der Werterhalt der genutzten Währung zweitrangig ist.
Im heutigen europäischen Zusammenhang schätze ich, dass die „lateinische“ Sichtweise dominierend ist und sich relativ schnell durchsetzen wird, auch und gerade in bezug auf den Euro. Dies konnte nicht deutlicher werden, als mit dem Ergebnis des EU-Gipfels vom Donnerstag. Die Idee Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen, wird wohl bald verschwinden. Deutschland ist seit einigen Jahren bereits in diesem Lernprozess wie der Anstieg der Immobilienpreise zeigt. Ich vermute, wenn wir Deutsche Europa wollen, sollten wir uns dieser Entwicklung öffnen. Vielleicht sollten wir nicht mehr von Währung sprechen, das wäre zu frustrierend, sondern, von „Lauferli“ ;-)? Wer hat eine gute Idee?

Mittwoch, 20. Juni 2012

Klasse statt Masse

Zur Frage wie die Zukunft der Europäischen Union zu gestalten ist, ist eine Möglichkeit noch mal neu zu schauen, wie auf europäischer Ebene Institutionen geschaffen werden könnten, die so gestaltet sind, dass sie sich durch außergewöhnlich große demokatische Qualität auszeichnen. Bei dem Prozess, dies im Einzelnen festzulegen, sollten wir gerade die Länder beteiligen, die hier die größte Erfahrung also die längste demokratische Tradition in Europa aufweisen. Das sind wohl Grossbritannien und die Schweiz. Letztlich wäre es gut, die europäischen Länder mit der höchsten institutionellen Qualität für diese europäsiche Union zu gewinnen bzw. von diesen abzufragen, wie sie sich die demokratische und institutionelle Gestaltung einer europäischen Union mit eigener Verfassung vorstellen, dass sie für sie attraktiv wäre. Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International könnte für die institutionelle Qualität ein Indiz sein. Länder mit einem guten Korruptionswahrnehmungsindex in Europa sind Dänemark, Finnland, Schweden, Niederlande, Schweiz und Norwegen. http://www.transparency.de/Corruption-Perceptions-Index-2.1742.0.html

Für welche Politikbereiche bestünde denn die Aussicht, dass für alle diese Länder bei außergewöhnlich guten demokratischen Verfahren und Institutionen die europäische Union eine attraktive Ebene für die politischen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative wäre?

Möglicherweise nicht für viele aber lieber wenig und das richtig gut zusammen erledigen, eben Klasse satt Masse.

Ich persönlich könnte mir aus deutscher Sicht hier gut die Außen-und äußere Sicherheitspolitik auch mit einer gemeinsamen Armee vorstellen, sowie die Bereiche Umwelt, Wettbewerb, Verkehr und Gesundheit. Bei der Fiskalpolitik, Geldpolitik, Konjunkturpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Familienpolitik  und der Energiepolitik, wäre ich da vorsichtiger. Die Bildungspolitk und Kulturpolitik und die innere Sicherheit würde ich weiterhin auf der Ebene der Bundesländer ansiedeln.



Freitag, 15. Juni 2012

Frage zu Europa

Bisher besteht in Europa Konsens, dass die europäische Union wichtig ist, um mögliche militärische  Konflikte zwischen Nationalstaaten zu verhindern. Das ist bei der Erfahrung des zweiten Weltkrieges verständlich.

Kann es sein, daß die Angst vor einem Rückfall in zu starkes nationalstaatliches Denken eine Generationenfrage ist?

Kann es sein, daß die jüngere Generation da entspannter ist und die europäische Integration mehr und mehr Teil des Selbstverständnisses ist?

Kann es sein, daß wir uns deshalb entspannt in Europa in Richtung einer demokratischen Union souveräner Staaten weiterentwickeln können?

Vielleicht kann die Piratenpartei aufgrund ihres Altersmixes und ihres grundsätzlichen Potentials in der Vernetzung mit den anderen europäischen Piratenparteien dazu den Diskurs zu gestalten hier eine Vorreiterrolle spielen.

Dienstag, 12. Juni 2012

Gefahr für die Demokratie

Mit der weiteren Zuspitzung der Eurozonenkrise/Staatsschuldenkrise nehmen die Bemühungen der europäischen Regierungen und  Institutionen zu, durch weitreichende Veränderungen das bisherige System doch noch zu retten. Nachdem ESM und Fiskalpakt die Lage nicht beruhigen konnten, steht jetzt eine Bankenunion, eine Fiskalunion http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spiegel-eu-plan-fuer-eine-echte-fiskalunion-a-837949.html und eine politische Union  http://www.focus.de/politik/ausland/eu/arbeitsplan-fuer-politische-union-merkel-sieht-europa-der-zwei-geschwindigkeiten_aid_763650.html auf der Agenda. Ganz deutlich bringt es der laut unterrichteten Kreisen weithin anerkannte grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold auf den Punkt: " "Es geht um ein Bekenntnis zum Euro", sagt der Grünen-Abgeordnete Giegold. "Wir müssen uns endlich entscheiden, ob wir unsere Währung aufgeben wollen oder einen Teil unserer nationalen Souveränität." " gefunden hier: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-06/euro-banken-regulierung/seite-1
Meine persönliche Meinung ist, daß ich zwar für Europa und eine weitere Integration bin, dass ich aber immer skeptischer geworden bin, ob dabei der Euro hilfreich ist sowohl für Deutschland als auch für alle anderen Euro-Länder. 
Nicht nur bei mir schlagen dabei die Alarmglocken. Medien, Parteien und Personen, denen ich sonst  nicht nahe stehe, geht es ähnlich, siehe hier:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article106488386/Deutschlands-neue-Rolle-als-Krisen-Suendenbock.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schuldenkrise-europa-in-not-deutschland-in-gefahr-11781892.html
Wie in meinem Blogbeitrag zur sunk cost fallacy
http://liberalundkooperativ.blogspot.de/2012_03_01_archive.html  beschrieben, glaube ich, dass die etablierten Politiker aus Angst vor dem Scheitern ihres Projektes und damit ihrem eigenen Scheitern immer größere Geschütze auffahren. Ich habe keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber einer politischen Union, wobei ich noch gar keine Debatte darüber erkenne ob wir einen Bundesstaat oder einen Staatenbund wollen. Was es auch sein soll, es muß jedoch aus sich heraus Sinn machen und nicht geschaffen werden, um den Euro zu retten. Die aktuellen EU-Institutionen EU-Kommission und EU-Ratspräsidentschaft sind demokratisch unzureichend legitimiert. Dies müßte zunächst verbessert werden. Außerdem müßte die Möglichkeit von Volksentscheiden gestärkt werden. Es wäre auch zu prüfen, ob es neben dem EU-Parlament eine zweite Kammer wie in den USA oder in Deutschland geben sollte.
Grundsätzlich denke ich, daß die Qualität der politischen Institutionen eines Landes oder eines Staatenbundes/Bundesstaates entscheidend für den langfristigen Wohlstand seiner Bürger ist, wie es in dem Buch "Why nations fail" von Acemoglu und Robinson dargelegt wurde. http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies langfrisitg wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute Wirtschaftspolitik. Man muß sich nur einmal den exorbitanten Wohlstand der Schweiz im Detail anschauen inklusive der ausgeglicheneren Verteilung des Wohlstandes im Vergleich zu den meisten anderen Ländern. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen lag in der Schweiz in 2009 schon über 9000 Franken, siehe z.B. Seite 11 von http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.html?publicationID=4800 Der GINI-Index scheint dabei weitgehend stabil (siehe Seite 27).

Mein aktueller Stand noch sehr grober Stand ist, dass folgende Regeln formuliert werden sollten:

1. keine zusätzliche Übertragung von politischen Entscheidungsbefugnissen von nationaler Ebene auf europäische Ebene, bei der die europäische Ebene nicht mindestens genauso stark demokratisch legitimiert wird wie die nationale Ebene (z.B. direkte Wahl und Abwahl der Mandatsträger durch die Bevölkerung)
2. Analyse in wie weit dies in der Vergangenheit bereits falsch gelaufen ist
3. Messung der Qualität der wichtigsten politischen Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene (dazu Entwicklung von Meßkriterien in einem demokratischen Verfahren)
4. keine zusätzliche Übertragung von politischen Entscheidungsbefugnissen von nationaler Ebene auf europäische Ebene, bei der die europäische Ebene über einen verlässlichen Zeitraum qualitativ nicht mindestens genauso gut gemessen wurde wie die abgebende Institution auf nationaler Ebene.
5. Analyse in wie weit dies in der Vergangenheit bereits falsch gelaufen ist

Freitag, 25. Mai 2012

Situationsbetrachtung Staatsschulden/Währungskrise

1. Staatsverschuldung hoch in USA, UK, Japan, in vielen Euroländern in % vom GDP + aktuell in vielen dieser Länder voraussichtlich weitere Staatsdefizite in 2012 und 2013, also erst mal kein Abbau möglich in % vom GDP

http://www.tradingeconomics.com/germany/government-debt-to-gdp (Basis Eurostat)

gov.d. in% GDP                   2009            2010             2011            2012 (est.?)

Deutschland:                              66,7          74,4              83,0            81,2
Griechenland                            113           129,4            145             165,3
Portugal                                     71,6         83,1              93,3          107,8
Spanien                                     40,2         53,9              61,2            68,5
Italien                                      105,7       116,0            118,6          120,1
Frankreich                                 68,2         79,2              82,3            85,8
USA                                          69,4          84,2             93,2           107      Bureau of Public Debt, 2012:NZZ/IMF
UK                                            54,4          69,6             79,6             85,7
Japan                                       195,0        216,3           220,3                        IMF

2. im Hinblick auf 1. möglicherweise zu niedriges reales Wachstum bzw Rezession. Es ist fraglich wo und ob geldpolitische und/oder fiskalpolitische Impulse noch einsetzbar sind (Inflationsgefahr, Vertrauensverluste ggü. Staatsdefiziten) bzw. etwas bringen würden (bei mangelndem Verbrauchervertrauen bleibt der Konsum niedrig, bei mangelndem Unternehmensvertrauen bleiben die Investitionen niedrig). ABER: Es ist möglich, daß das hohe Wirtschaftswachstum der Schwellenländer und Wohlstandssteigerungen durch Innovationen (systeminhärentes Wachstumspotential der freien Marktwirtschaft) einzeln oder in Summe aussreichen, daß das GDP in obigen Ländern trotzdem real über viele Jahre so weiter wächst, daß die Staatsverschuldung in % vom GDP deutlich abgebaut werden kann (ich persönlich bin diesbezüglich skeptisch, kann diese Effekte aber nicht quantifizieren. Irgendwo habe ich gelesen, dass vor Einführung des Buchdrucks, das handschriftliche Anfertigen einer Bibel den Gegenwert von 2 Fachwerkhäusern hatte. Seitdem denke ich, daß man den Wohlstandseffekt durch technische Innovationen nicht unterschätzen sollte.)

GDP annual growth rate    2011       2012
Deutschland:                    ca 3%      ca. 2%   Bundesamt für Statistik http://www.tradingeconomics.com/germany/gdp-growth-annual
Griechenland                   < - 5%     < - 5%   Hellenic Statistic. http://www.tradingeconomics.com/greece/gdp-growth-annual
Portugal                         ca. - 2%   ca. - 2%   Instit.Nat.de.St. http://www.tradingeconomics.com/portugal/gdp-growth-annual
Spanien                            < 1%    negativ      INE http://www.tradingeconomics.com/spain/gdp-growth-annual
Italien                              < 2%     negativ      ISTAT http://www.tradingeconomics.com/italy/gdp-growth-annual
Frankreich                   ca. 1,8%    ca. 0,2%   INSEE http://www.tradingeconomics.com/france/gdp-growth-annual
USA                           ca. 2%         ca. 2%      Bureau of econom.analysis http://www.tradingeconomics.com/united-states/gdp-growth-annual
UK                              ca. 2%        ca. 2%      wie usa http://www.tradingeconomics.com/united-kingdom/gdp-growth-annual
Japan                           ca. 0%        ca 2%      The Cabinet office http://www.tradingeconomics.com/japan/gdp-growth-annual

Konsumentenvertrauen
Deutschland   leicht über mittel http://www.tradingeconomics.com/germany/consumer-confidence
Spain              sehr niedrig http://www.tradingeconomics.com/spain/consumer-confidence
Italien             niedrig  http://www.tradingeconomics.com/italy/consumer-confidence
Japan              mittel  http://www.tradingeconomics.com/japan/consumer-confidence
UK                 sehr niedrig http://www.tradingeconomics.com/united-kingdom/consumer-confidence
US                  relativ niedrig http://www.tradingeconomics.com/united-states/consumer-confidence
China              relativ niedrig http://www.tradingeconomics.com/china/consumer-confidence
Brasilien         sehr hoch ! http://www.tradingeconomics.com/china/consumer-confidence
Mexico           ziemlich hoch http://www.tradingeconomics.com/mexico/consumer-confidence
Indonesien      relat.hoch http://www.tradingeconomics.com/indonesia/consumer-confidence

3. Leistungsbilanzdefizite in USA und Südeuropa können zahlungsbilanztechnisch nur über Kapitalimporte ausgeglichen werden. (Wenn diese aber plötzlich ausbleiben muss auch das Leistungsbilanzdefizit abgebaut werden: Falls nicht mehr exportiert werden kann muß weniger importiert werden oder FRAGE falls das nicht geht, ganz schnell ganz viel zusätzliches Geld geschaffen werden [Kauf von Staatsanleihen durch die FED/Inflationsgefahr]) Hintergrund: Bezüglich der USA (auch Europa?) kauft China Devisen um exportieren zu können, indem es die eigene Währung künstlich schwächt. Außerdem gibt es Länder wie Saudiarabien, die ebenfalls nicht aus volkswirtschaftlichen sondern aus politischem Kalkül Kapital in die USA exportieren. Damit kann ein volkswirtschaftlicher Regelmechanismus/Zusammenhang gestört werden aber nach meiner Einschätzung nicht dauerhaft ignoriert werden. Die Frage ist ob es aus dieser Störung eine moderate Korrektur geben kann. China würde peu a peu aufwerten und sein Wirtschaftswachstum mehr und mehr aus internem Konsum ziehen. (die USA abwerten und mehr exportieren). Oder ob es zu einem Kollaps kommt. China würde aprupt US Staatsanleihen verkaufen (oder die USA Staatsanleih. in chinesicher Hand offiziell nicht zurückzahlen), in Saudiarabien käme es doch zu einem Politikwechsel.

Current account by country (Leistungsbilanz)

Griechenland     neg.        http://www.tradingeconomics.com/portugal/balance-of-trade
Portugal             neg.        http://www.tradingeconomics.com/portugal/current-account
Spanien             neg.         http://www.tradingeconomics.com/spain/current-account
Italien                neg.        http://www.tradingeconomics.com/italy/current-account
Frankreich         neg.!        http://www.tradingeconomics.com/france/current-account
USA                  neg.         http://www.tradingeconomics.com/united-states/current-account
UK                    neg.         http://www.tradingeconomics.com/united-kingdom/current-account
Japan               positiv      http://www.tradingeconomics.com/japan/current-account

Balance of trade by country (Handelsbilanz)

Griechenland     neg.      http://www.tradingeconomics.com/portugal/balance-of-trade
Portugal        leicht neg.  http://www.tradingeconomics.com/portugal/balance-of-trade
Spanien             neg.        http://www.tradingeconomics.com/spain/balance-of-trade
Italien                pos.        http://www.tradingeconomics.com/italy/balance-of-trade
Frankreich         neg.       http://www.tradingeconomics.com/france/balance-of-trade
USA                  neg.       http://www.tradingeconomics.com/united-states/balance-of-trade
UK                    neg.       http://www.tradingeconomics.com/united-kingdom/balance-of-trade
Japan             ca. 0          http://www.tradingeconomics.com/japan/balance-of-trade

4. In Südeuropa besteht die Problematik, daß im Vergleich zu Kerneuropa geringe Wettbewerbsfähigkeit nicht durch eine Währungsabwertung ausgeglichen werden kann. (Der Euro kann aber insgesamt nach aussen abwerten). Alternativen wäre Senkung der Produktionskosten in Südeuropa durch massive Lohnsenkungen - dem stünde massiver Widerstand der Bevölkerung entgegen - und/oder massive Lohnerhöhungen bei uns mit gleichzeitiger Abwertung des Euro: Wir würden quasi in den allgemeinen Abwertungswettlauf einsteigen. Auch dies könnte wohl in der Praxis nur moderat eingesetzt werden. Eine dauerhafte Transferunion läßt sich ebenfalls politisch wohl kaum durchsetzen (zum Glück). Falls diese drei parallel nutzbaren Optionen scheitern, bliebe für die betroffenen Länder nur die vierte Möglichkeit der Wiedereinführung von nationalen Währungen parallel zum Euro. Intuitiv bin ich mir ziemlich sicher, dass es dazu kommen wird und zwar nicht nur in Griechenland sondern auch in Portugal und ich vermute ebenfalls in Spanien.

Wirtschaftspolitisch hiese das:
- keine zusätzlichen Bailoutprogramme durch Deutschland,
- Beibehaltung der Ziele mittelfristig die Staatsverschuldung in Deutschland auf das
Niveau der Maastrichtkriterien zurückzuführen (60%)
- Befürwortung von moderaten Lohnsteigerungen wie sie derzeit von den Tarifparteien
angegangen werden, fairen Löhnen im Bereich Zeitarbeit
- allenfalls moderate Konjukturprogramme
- ggf. nutzen des ESM statt für Kauf von Staatsanleihen strauchelnder Staaten zur Finanzausstattung von wichtigen insolventen Banken mit öffentlichem Interesse (Kreditgeber für den Mittelstand), siehe Artikel Professor Harald Hau und Professor Bernd Lucke http://www.wiso.uni-hamburg.de/lucke/wp-content/uploads/2011/04/Hau-Lucke-Alternative-zum-Rettungsschirm-FAZ-16.9.11.pdf.

außerdem schlage ich vor:
- Förderung von Wirtschaftswachstum über Innovation durch gute Bildungssysteme, Förderung von Grundlagenforschung und Förderung von Technologie-Start-Ups mit Kapital wie in der Schweiz
- die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wie im ZEIT-Artikelhttp://www.zeit.de/2012/07/Finanzmarkt-Steuer beschrieben

Alternative Deutschland geht raus aus dem Euro:
Dies scheint mir aus politischen Gründen nicht sinnvoll. Dadurch würden wir uns von unserem wichtigsten Partner Frankreich aber auch den Interessen unsere anderen wichtigen Partner in Europa und USA isolieren. Volkswirtschaftlich überwögen die Vorteile die Nachteile nach meiner Einschätzung wenn es so gestaltet werden kann, dass die bisher aufgelaufenen Staatsschulden einschließlich der Rettungsprogramme weiter in Euro lauten: dauerhaft stabile Währung, zwar Rückgang des Handelsbilanzüberschusses aber Möglichkeit dies bei den Produktionskosten und im Konsum durch niedrigere Importpreise abzufedern (Energie). (Vorbild, Schweiz, Norwegen, Dänemark, Neuseeland). Folgt man der Argumentation Professor Flassbecks http://www.zeit.de/2012/07/Finanzmarkt-Steuer, dass Südeuropa nur geholfen werden kann, wenn Deutschland um circa 20-30% aufwertet, würde dies sehr schnell erreicht.

Insgesamt hilfreich finde ich neben dem Vortrag von Professor Flassbeck den Vortrag von Professor Hans-Werner Sinn http://www.youtube.com/watch?v=OGGDl_eJte8&feature=related und den Monatsbericht Mai der Deutschen Bundewsbank http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2012/2012_05_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile

5. Weiterhin problematisch sind die zunehmenden Unterschiede in der Einkommens-und Vermögensverteilung in Deutschland (insgesamt aber siehe auch Billiglöhne, 1-Euro-Jobber), siehe auch Reichtumsforschung. Vielverspechend n.m.E. die Verbesserung der Löhne im Bereich Zeitarbeit http://www.tagesschau.de/wirtschaft/leiharbeiter108.html; hier würde ich bei der Erbschaftsteuer ansetzen und die Freibeträge an die Inflation anpassen, darüber hinaus aber die Sätze erhöhen und dafür werben, dass Nachbarländer in eine ähnliche Richtung gehen (Österreich bisher keine Erb.steuer).

6. Ich halte es für sehr gut möglich, daß es langfristige Zyklen von ca. 70-100 Jahren gibt, in denen sich Phasen von Wachstum und Verfall, ausgeprägtem Individualismus und stärkerem Zusammenhalt etc. abwechseln, und dass die Menschen instinktiv spüren, wenn ein Wechsel kommt bzw. sogar das Gefühl haben, dass er an der Zeit ist.

7. Darüber hinaus ist es ebenfalls möglich, dass wir an einer noch langfristigeren Zeitenwende stehen und sich nach den Phasen des Feudalismus, der kapitalistischen Bürgergesellschaft eine neues Gesellschaftssystem ausbildet, dass z.B. kooperativer, basisdemokratischer und bewusster ist. Geht BGE in diese Richtung?
Zwischenstand Finanzmärkte 13. Mai 2012

Bezüglich der Entwicklung von Euro, Dollar, Immobilien, Aktien und Rohstoffen scheint mir vieles offen. Die Staatsschuldenkrise in Europa scheint noch nicht ausgestanden, auch die USA, England und Japan haben weiter hohe Staatsschulden. Die Anlagemärkte Aktien und Rohstoffe befinden sich im Rückgang, die Immobilienmärkte in Südeuropa sowieso. In den Großstädten in Deutschland sind die Preise bei Wohnimmobilien dagegen auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Bei Gewerbeimmobilien wurde diese Woche entschieden, daß der offene Immobilienfonds SEB Immoinvest liquidiert wird und damit Gewerbeimmobilien mit einen Marktwert von 17 Milliarden Euro in den nächsten Jahren auf den Markt gelangen.
Wie würde ich mich derzeit als Privatanleger positionieren?:
Ich halte weitere Turbulenzen auf den Finanzmärkten für wahrscheinlich in 2012/2013, circa 3:1, und eine Währungskollaps von € und/oder, $, YEN und Britischem Pfund ebenfalls bis 2015, circa 2:1. Letztlich ist eine Rückgang der Anlagemärkte wie in 2008/2009 möglich, als der DAX und Silber um circa 50% korrigierten, Gold um circa 25%. Geht man von den Höchstständen 2011 aus, wäre eine Korrektur beim DAX auf 4000-5000, bei Gold auf unter 1500 $ je Unze, und bei Silber auf 25$ möglich. In einem inflationären Scenario oder bei einem Währungskollaps würden die Preise dann wieder ansteigen und die bisherigen Höchststände überschreiten. Eine sinnvolle Gewichtung von Vermögen wäre 1/4 Immobilien, 1/4 Aktien und 1/4 Edelmetalle und 1/4 Geld. Bei ersteren würde ich derzeit nur in Wohnimmobilien und ohne Hebel (Kredit) investieren und nur wenn das Preis/Ertragsverhältnis attraktiv ist.  Bei letzerem würde ich keine Rentenpapiere kaufen, sondern am ehesten Devisen wie dem Schweizer Franken oder Norwegischen Kronen. Denkbar ist dass im Rohstoffsektor Lebensmittel weniger stark korrigieren als Edelmetalle oder Industriemetalle, da in den Konsumentenmärkten bereits jetzt Inflation zu verzeichnen ist.
Das Gegensenario wäre, dass die Wachstumsraten in Europa wieder zunehmen, evtl. gezogen vom Wachstum der Schwellenländer und/oder Innovationen und sich die Staatshaushalte fangen. Dann würden Edelmetalle dauerhaft deutlich sinken, nach meiner Schätzung um 60% -80%.

Donnerstag, 1. März 2012

sunk cost fallacy / Warum Politiker am Euro festhalten

Es ist erstaunlich, der Bundestag beschließt mit großer Mehrheit am 27.02.2012 einen zweites Rettungspaket für Griechenland und die große Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen.

Darauf paßt sehr gut einer von 52 von Rolf Dobelli in seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ beschriebenen Denkfehlern: die sunk cost fallacy: Er schreibt unter anderem: „Jede Entscheidung, ob privat oder geschäftlich, geschieht stets unter Unsicherheit. Was wir uns ausmalen, mag eintreffen oder nicht. Zu jedem Zeitpunkt könnte man den eingeschlagenen Pfad verlassen, zum Beispiel das Projekt abbrechen und mit den Konsequenzen leben. Diese Abwägung unter Unsicherheit ist rationales Verhalten. Die sunk cost fallacy schnappt dann zu, wenn wir schon besonders viel Zeit, Geld, Energie,... investiert haben. Das investierte Geld wird dann zur Begründung, weiterzumachen, selbst wenn es objektiv keinen Sinn macht. Je mehr investiert wurde, also je größer die sunk costs sind, desto stärker ist der Drang, das Projekt fortzuführen.“

Weiter schreibt Dobelli: „Warum dieses irrationale Verhalten? Menschen streben danach, konsistent zu erscheinen. Mit Konsistenz signalisieren wir Glaubwürdigkeit. Widersprüche sind uns ein Gräuel. Entscheiden wir, ein Projekt in der Mitte abzubrechen, generieren wir Widerspruch: Wir geben zu, früher anders gedacht zu haben als heute. Ein sinnloses Projekt weiterzuführen, zögert diese schmerzliche Realisierung heraus. Wir erscheinen dann länger konsistent.“

Ich vermute, das erklärt die große Diskrepanz zwischen Politikern und Bürgern. Die Politiker haben sich nicht nur mehr mit dem Europrojekt beschäftigt. Sie sind Akteure dabei gewesen im deutlichem Gegensatz zur normalen Bevölkerung. Möglicherweise gilt dies sogar in etwas abgeschwächter Form für viele Journalisten, die diese Entwicklung seit den 1980er und 1990er Jahren begleitet haben.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Wie war das damals bei der Euroeinführung ?

Gestern las ich weiter in dem Buch von Rolf Dobelli über verschiedene Denkfehler, insgesamt eine ernüchternde und verwirrende Lektüre für mich.
Nebenbei sei dazu angemerkt, daß so viele Irrtumsmöglichkeiten in nicht streng naturwissenschaftlichen Bereichen die Vermutung bestärken, daß allein mit dem Verstand viele Fehlurteile zustande kommen und dass es besser ist, eine tiefere, nur intuitiv zugängliche Weisheit zusätzlich zu nutzen, wie es zum Beispiel Eckhart Tolle in seinem Buch "Jetzt" anspricht. Aber dies muß jeder für sich selbst entscheiden.
Ein Fehler, den Dobelli anspricht, ist die Überschätzung der eigenen Vorhersagemöglichkeiten und die Tendenz alles im Nachhinein gut erklären zu können, aber anzunehmen, dass man dazu auch im Vorwege in der Lage gewesen wäre. Er schlägt deshalb vor, eher Tagebuchaufzeichnungen oder Zeitdokumente statt historische Betrachtungen zu lesen. Ich habe gestern angefangen zu googeln um herauszufinden, wie denn das war mit der Euroeinführung, warum wollten wir denn das? [Hintergrund ist die Überlegung, daß man zur Vermeidung der sunk cost fallacy (siehe extra Eintrag kommt noch) noch mal ganz neu ganz nüchtern schauen sollte, warum man den Euro möchte, in welcher Form und unter welchen Bedingungen und ohne Berücksichtigung der bisher aufgelaufenen Kosten oder Erträge. Da mir selbst wenig Gründe einfielen, wollte ich sehen, warum wir ihn früher einführen wollten.]
So lag beispielsweise Helmut Schmidt 1996 in vielem daneben, erwähnte damals aber auch schon Griechenland, Portugal und Spanien http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8871275.html. Stoiber soll damals ein Euroskeptiker gewesen sein, ich habe leider nichts konkretes gefunden, aber vielleicht ahnte er doch mehr als viele andere.
Erstaunlich für mich kam dabei heraus, daß es wohl viele Skeptiker gab und dass es wenig volkswirtschaftliche Gründe sondern eher politische Gründe waren, wie das Argument, den europäischen Einigungsprozeß zu unterstützen. Besonders fiel mir auf, daß im Maastrichtvertrag zwar Konvergenzkriterien als Bedingungen für einen Beitritt definiert wurden, daß aber keine Meßgröße definiert wurde, die festgelegt hätte, wann das Projekt als gescheitert zu betrachten wäre. Ich weiß nicht ob der Vergleich trägt, aber wenn ich an der Börse unter Unsicherheit ein Spekulationsgeschäft eingehe und dabei eine bestimmte Erwartungshaltung zugrunde lege, wie sich etwas entwickelt, sollte ich auch eine Gegenentwicklung antizipieren und im vorhinein defineren, wann ich meine Spekulation als gescheitert betrachte, wann ich aussteige und wie hoch die Kosten dafür maximal sein werden. Ich sollte in der Lage sein, diesen Maximalverlust zu tragen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Sinn macht das Spekulationsgeschäft dann, wenn ich beiden Fällen eine so unterschiedliche Wahrscheinlichkeit zuweise, daß sich wahrscheinlichkeitsgewichtet ein Gewinn errechnet, der für mich das Risko lohnt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, daß man im Negativfall aus dem Trade herauskommt ohne unkalkulierbare Verluste oder einen Totalverlust tragen zu müssen.
Im Fall des Euro ist mir von einem solchen Versagenscenario nichts bekannt. Wäre es erstellt worden, wäre es zumindest in Bezug auf Griechenland nach meiner Einschätzung bereits erreicht. Dann wäre man auch möglicherweise in der Lage, die Diszilpin für einen Ausstieg aufzubringen und dies gerade nicht wie Frau Merkel in ihrer Erklärung zur Griechenlandhilfe vor dem deutschen Bundestag vom 27.02.2012 als ein Abenteuer zu bezeichnen.
Dazu paßt auch, daß im neuen Fiskalpakt die Strafen bei Fehlverhalten sehr gering ausfallen. Ich hielte es für angebrachter, ein Ausschluß aus der Währungsunion als Folge sehr wahrscheinlich werden zu lassen.