Donnerstag, 27. November 2014

Aspekte einer europäischen Außenpolitik

Die aktuellen Diskussionen um die richtige europäische Außenpolitik im Ukrainekonflikt (siehe zum Beispiel  hier http://www.puls4.com/video/pro-und-contra/play/2635431, hier ab min 21 https://www.youtube.com/watch?v=cRt9tQi-IZY ) signalisieren, daß ein weiter so in die Sackgasse führt und Europa sich grundsätzlich Gedanken machen muß wo es steht und wo es hin will.

Nach Ende das 2. Weltkrieges gab es eine Zweiteilung in die Einflußbereiche der USA und Rußland, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich der amerikanische Einflußbereich bis fast an die Grenze Rußlands ausgedehnt und trifft dort auf russischen Widerstand.

Innerhalb der amerikanischen Einfluß-und Schutzzone zu leben, ist ziemlich bequem, die eigenen Militäretats können vergleichsweise klein gehalten werden und solange eine gemeinsame Wertebasis besteht, hat man die Option sich auf eine gemeinsame Gesellschaft hin zu entwickeln. Der Nachteil ist, daß man sich Fehlern der USA nicht so ohne weiteres entziehen kann, wie die Ausspähung der eigenen Bürger oder einer krisenverschärfenden Politik gegenüber Russland.

Was wollen eigentlich wir Europäer?

Wir wollen im Frieden mit Russland leben, wir wollen demokratische Entwicklungen in Osteuropa unterstützen aber keine Regimewechsel aus eigenen Interessen durchführen. Momentan sieht es so aus, als ob die Westukraine sich politisch stärker an Zentraleuropa orientieren möchte und die Ostukraine stärker an Russland und als ob dies nicht mehr im Rahmen einer ukrainischen Föderation zu regeln ist. Wir sollten dies den dortigen Bevölkerungen überlassen zu entscheiden und davon nicht unsere Russlandpolitik abhängig machen. Sanktionen gegenüber Russland sind deshalb nicht hilfreich.

Wollen wir Europäer weiterhin US amerikanisches Protektorat sein? Wäre Amerika dazu überhaupt noch bereit, wenn wir uns weigern ihre geostrategischen Ziele mitzutragen? Was wäre für uns die Alternative? Wären wir bereit die Kosten einer höheren politischen Selbständigkeit zu bezahlen?

Es war Konsens in Deutschland, daß die “Freundschaft mit den Amerikanern” mit das Beste war, was uns passieren konnte, angefangen vom Marshallplan über die Vorbildfunktion als lebendige Demokratie und freiheitliche Gesellschaft, bis zur Unterstützung der Wiedervereinigung gegen die Skepsis in Frankreich und England. Nach Aufdeckung der massenhaften Überwachung durch Amerikaner und Briten wurde klar, daß Freundschaft nicht den Kern des Verhältnisses bezeichnet, obwohl wir es gern so gehabt hätten. Tatsächlich ist es eine strategische Beziehung, eine Art Partnerschaft, allerdings mit zwei deutlich unterschiedlich großen und wichtigen Akteuren. Da Deutschland aber eine wichtige geographische Position in Europa besetzt und zudem das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land in Zentraleuropa ist, ist es für den europäischen Teil der US-Außenpolitik der wichtigste Spieler.

Diese Partnerschaft war eine win-win-Situation. Zur Zeit wird deutlich, daß sie es nicht mehr ist.

Europa sollte deshalb versuchen entweder die Partnerschaft so zu gestalten, daß es wieder eine win-win-Partnerschaft wird oder sich langfristig eine zweite Option aufbauen, die darin bestehen könnte eine eigenständige starke europäische Position aufzubauen außerhalb eines US-Protektorats. Etwas komplexer aber nicht unlösbar wird die Sache dadurch, daß innerhalb Europas unterschiedliche nationale Perspektiven vorhanden sind. So sind zum Beispiel Polen und die baltischen Staaten skeptisch gegenüber einer Verständigung mit der russischen Außenpolitik ohne die Amerikaner.

Zur ersten Option gehört an die USA deutlich zu kommunizieren was wir wollen und was nicht und wo sie unsere eigenen Interessen verletzt wie bei der Friedenssicherung in Europa, bei dem Recht unserer Bürger auf informationelle Selbstbestimmung, oder bei der Freiheit unsere eigenen Gesetze anzuwenden. Man sollte dann europäische Positionen entwickeln, die für beide Seiten vorteilhaft sind also eine Verbesserung des status quo darstellen.  Auch in den USA gibt es ja zum Beispiel Versuche, die Überwachungsmöglichkeiten der Geheimdienste einzuschränken. Die politischen Kräfte, die dies versuchen, würden durch einen Konsens in der Sache mit Europa gestärkt. Letztlich wäre dies wohl der Anfang einer Entwicklung Europas hin zu einem eigenständigen Machtpol in einer multipolaren Welt. Aktuell gibt es zu Recht viel Aufregeung über den möglichen Einfluß von US-amerikanischen Thinktanks und möglicherweise des CIA auf europäische Journalisten. Wenn Europa sich selbst zu einem globalen Machtpol entwickelt, wird sich seine Perspektive so ändern, daß es selbst ebenfalls die amerikanische Innenpolitik in den Blick nimmt. Es muß sich dann selbst klar werden ob und wenn ja mit welchen Mitteln es dort Einfluß nehmen will, so daß es seinen Interessen dient aber auch zu seinen Werten passt.





Mittwoch, 19. November 2014

Soll die Ukraine bzw. die Westukraine in die EU?

Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch, eine Teilnehmer der Kiewer Euroomaidanbewegung schildert heute in der FAZ eindrucksvoll, wie im Kampf für Freiheit in Gleichheit die EU-Fahne für viele Euromaidanaktivisten Symbol dieser Werte ist, ganz im Gegensatz zu vielen Zentral-und Westeuropäern, die damit eher Bürokratie und Geldfragen verbinden (sein Beispiel: spanische Bauern verbrennen die EU-Fahne aus Prostest gegen Exportverbote von Obst nach Russland).

Das ist ein echtes Dilemma. Überspitzt formuliert, die besten Europäer sitzen in Kiev und Lemberg :)

Historisch ist das verständlich, da zum Beispiel die Franzosen Freiheit und Gleichheit eher mit Frankreich als mit Europa verbinden, da sie das ja in ihrer Revolution so als erste in die Welt gesetzt haben und Großbritannien hat schon eine sehr lange demokratische und multinationale Geschichte, so daß sie dafür nicht die europäische Ebene benötigen. Attraktiv bleibt ein werteorientiertes politisch vereintes Europa neben Ländern wie Polen oder die Westukraine vor allem für Deuschtland, da wir durch den Nationalsozialismus und den Holocaust gegenüber den Werten Freiheit in Gleichheit als Nation vollständig versagt haben und deshalb lieber in einem breiter aufgestellten politischen Gemeinwesen aufgehen würden.

Der Kern dieser Idee Europa wäre damit Freiheit in Gleichheit und der hätte in der Tat globale Bedeutung und würde quasi im Geiste alle als "Europäer" verbinden, die so denken bzw. die diese Werte für zentral halten.

Andruchowytsch ist frustriert, daß die EU nach seinem Empfinden der Ukraine die kalte Schulter zeigt und erhofft sich mehr Unterstützung gegenüber Russland, das er als Hort der Unfreiheit erlebt. Aber auch in Russland wird es viele Menschen geben, die gerne in Freiheit und Gleichheit leben wollen.

Mein Vorschlag:

Die Werte Freiheit in Gleichheit sind wirklich zentral und sollten den Kern eines Vereinten Europa bilden, sie sind aber nicht exklusiv europäisch, sondern es ist immer erfreulich, wenn sie sich auf der Welt durchsetzen.

Nach meiner Einschätzung wird es in der Urkaine zu einer Trennung eines prorussichen Teils und eines prowestlichen Teils kommen, sodaß die Ukraine in Zukunft keine "Ausgleichszone" bilden kann. Das ist aber auch nicht erforderlich, denn für so groß halte ich die Unterschiede in den Wertvorstellungen der russischen und der zentraleuropäischen Gesellschaften auch nicht. Mit seiner Werteorientierung könnte die Westukraine ein bereichernder Teil eines wertebasierten politisch vereinten Europas sein.

Es sollte aber auch klar sein, daß eine geistige Verbundenheit in Bezug auf die Wertschätzung von Freiheit in Gleichheit unabhängig von staatlichen Strukturen möglich ist und langfristig mehrere Regionen/Staaten existieren werden, die diese Werte teilen. 

Montag, 17. November 2014

Ist ein Weltstaat eine Option für die Zukunft?

Auf der Diskussions-Mailingliste der AG-Europa der Piratenpartei Deutschland http://wiki.piratenpartei.de/AG_Europa/Mitmachen kam immer mal wieder die Idee eines Weltstaates als Alternative für die jetzige Europäische Union oder für einen Europäischen Bundesstaat zur Sprache. Da die Piraten sich als transnationale Bewegung verstehen, könnte man auf den Gedanken kommen, daß ein Weltstaat dazu gut passen würde.

Mir war nie wohl bei dem Gedanken, sodaß ich mich etwas näher damit befasst habe. Grundsätzlich finde ich es bedenklich, die politische Macht der Menschen des ganzen Planeten Erde in einem Staat zu bündeln. Ich sehe die Gefahr, daß - sollte es zu einer Diktatur kommen -, der ganze Planet betroffen wäre und es keine Regionen mehr gäbe, von denen eine demokratische Gegenbewegung eine stabile Ausgangsbasis hätte. Selbst bei der von George Orwell in seinem dystopischen Roman “1984” beschriebenen Überwachungsdiktatur war diese globale Ominpräsenz der Unfreiheit nicht erreicht http://de.wikipedia.org/wiki/1984_%28Roman%29.

Ein Gegenargument ist, daß die räumliche Dimension in Zeiten des Internet sowieso egal ist und daß sich Gegenbewegungen genauso leicht innerhalb der räumlichen Ausdehnung einer Diktatur organisieren und zum Erfolg führen liesen. Solange sich Staaten jedoch physisch definieren http://de.wikipedia.org/wiki/Staat , was meiner Meinung nach auch in Zukunft Sinn macht, würde ich auf den Vorteil nicht verzichten wollen, sich gegen physische Zugriffe einer Diktatur durch einen souveränen Staat schützen zu können. Im Kontext Europas ist das ein Argument für einen eigenständigen europäischen Bundesstaat als Machtpol in einer multipolaren Welt.

Bei den Piraten kam im Europawahlkampf die Aussage Europa als Idee zu verstehen und nicht als geographische Region, die es demokratisch optimal zu gestalten gilt. Die Idee Europa könnte man zum Beispiel verstehen als eine auf den Menschenrechten basierte Demokratie, die neben individuellen Freiheiten sich auch als Sozialstaat versteht und seine Verantwortung für künftige  Generationen und den Planeten insgesamt (Nachhaltigkeit) sieht. Sollte diese Idee mehr und mehr Anhänger finden, könnte sie grundsätzlich auch über die geographischen Grenzen Europas hinauswachsen und eine europäische Union  in weiter Zukunft zum Beispiel ganz Russland bis an den Pazifik und ganz Afrika umfassen. Sie wäre damit vielleicht die Keimzelle eines Weltstaates.

Obwohl ich ein demokratisches, freiheitliches, soziales und nachhaltiges Europa möchte, stört mich der globale Anspruch bzw. die Einschätzung die beste Lösung für die ganze Welt bereit zu halten. Überspitzt und in Anlehnung an Kaiser Wilhelm II mit seinem Leitspruch “Am deutschen Wesen soll die Welt genesen” (ursprünglich aus einem Gedicht von Emanuel Geibel) gälte damit am “Europäischen Wesen soll die Welt genesen“.  Mein Ansatz wäre eher den demokratischen Kräften in anderen Weltregionen zu vertrauen, den für sie sinnvollen Weg selbst zu finden und sich gegenseitig dabei zu unterstützen, nicht zuletzt vor dem historischen Hintergrund, daß es nicht die Europäer sondern die Nordamerikaner waren, die als erstes eine auf den Menschenrechten basierende neuzeitliche Demokratie schufen (wenn auch eine mit sehr großen Fehlern behaftete, da die Sklaverei erst 1865 nach dem Bürgerkrieg abgeschafft wurde siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_in_den_Vereinigten_Staaten#Sezessionskrieg_und_Abschaffung_der_Sklaverei und das allgemeine Wahlrecht erst 1920 siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenwahlrecht eingeführt wurde).

Gibt es Argumente aus der politischen Philosophie/Staatslehre, die für oder gegen einen Weltstaat sprechen?

Ein zentraler Aspekt ist dabei nach meiner Meinung das staatstheoretische Konzept der Gewaltenteilung von John Locke  und Montesquieu http://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltenteilung als zentraler Baustein für funktionierende Demokratien. Neben der horizontalen Gewaltenteilung von Exekutive, Legislative und Judikative gibt es auch die Idee der vertikalen Gewaltenteilung, also der Verteilung der rechtlichen Kompetenzen innerhalb eines Bundesstaates und/oder zwischen kommunaler und zentralstaatlicher Ebene.

Grundsätzlich liese sich auch ein Weltstaat denken, bei dem sowohl die vertikale als auch die horizontale Gewaltenteilung verwirklich ist, zum Beispiel wenn er als mehrstufiger Bundesstaat konzipiert ist. Politische Themen auf der Zentralebene mit globaler Bedeutung wären zum Beispiel Klimaschutz, Schutz der Ozeane, Entscheidungen über den Einsatz von Militär bei drohendem Genozid oder Eingreifen bei humanitären Katastrophen. Die deutlichste Gewaltenteilung ist natürlich diejenige, die souveräne Staaten nebeneinanderstellt und von ihnen fordert zu kooperieren wie aktuell in der UNO. Insgesamt gilt es ein System zu finden, daß die Vorteile der Gewaltenteilung und die Vorteile des politischen Zusammenschlusses ausbalanciert. Ein demokratischer europäischer Bundesstaat als eigenständiger Pol in einer multipolaren Welt scheint mir da eine sinnvolle Option (siehe laut wikipedia: Forderung nach Polyzentrismus in der globalen Machtverteilung Reinhold Zippelius: Allgemeine Staatslehre. Politikwissenschaft. 16. Aufl. 2010,  § 31 I 3.)

Für mich persönlich steht und fällt die Frage, ob ich einen solchen Staat gut fände oder nicht  (der eine ganz gut funktionierende Demokratie wie die Bundesrepublik Deutschland ersetzen würde) mit der Möglichkeit wieder zum vorherigen Zustand (status ante) zurückkehren zu können, wenn eine Entwicklung hin zu einer Diktatur nicht verhindert werden konnte (Demokratien fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis langer historischer Prozesse, inbesondere basieren sie auf der Entwicklung von starken Zivilgesellschaften, siehe zum Beispiel “Why nations fail”von Acemoglu und Robinson http://www.amazon.de/Warum-Nationen-scheitern-Urspr%C3%BCnge-Wohlstand/dp/3596195586/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1416142613&sr=1-1&keywords=why+nations+fail).

In der Staatstheorie gibt es den Begriff der Kompetenzkompetenz http://de.wikipedia.org/wiki/Kompetenz-Kompetenz . Die hat derjenige inne, der darüber bestimmen darf, welche staatliche Institution welche Kompetenz bzw Macht hat. In Demokratien ist dies nach meinem Verständnis grundsätzlich das Volk, verstanden nicht als Ethnie, sondern als die Menge der mit einer Staatsbürgerschaft ausgestatteten Bewohner eines Gebietes. Genau hier liegt die Crux. Wäre ein Weltstaat so konzipiert, daß die Kompetenzkompetenz bei allen Menschen dieses Planeten gemeinsam läge, wir uns also in erster Linie als ein Demos verstünden, bestünde die Gefahr, daß sich darunter keine eigenständige demokratische Inseln in einer Diktatur mehr bilden könnten. Würde jeder sich historisch über die Jahrhunderte gebildete Demos in seinem Demos-Sein anerkannt und seine Rechte behalten, könnte er also in Zukunft über seinen Beitritt and Wieder-Austritt aus einer größeren politischen Verband bestimmen, wären bestehende Demokratien besser geschützt. Die Engländer sagen dazu "never put all eggs in one basket".

aktuelle Beispiele

Das Referendum von Schottland ist ein Beispiel dafür, daß Großbritannien als Staat und zwar durch seinen amtierenden Regierungschef David Cameron die innere Stärke und demokratische Qualität besaß, den Bewohnern von Schottland dieses Selbstbestimmungsrecht nicht nehmen zu wollen, sondern das Referendum unterstützte. Diese Stärke bringt derzeit weder Spanien gegenüber einem Referendum der Katalanen auf, noch hat sie die Ukraine gegenüber der Bevölkerung des Donezbeckens aufgebracht. Letztlich basiert nach meiner Vermutung die Kompetenzkompetenz auf der Einstellung der Menschen zur Demokratie und auf ihrer Bereitschaft sich dafür einzusetzen, für sie zu kämpfen und für die politische Freiheit Opfer zu bringen, letztlich auch dafür zu sterben. Auch dies wurde bei der Euromaidanbewegung mit dem Sturz von Janukowytsch in der Ukraine in Kiew 2014 deutlich, aber nach meinem Eindruck auch in der Ostukraine, als sich dort ein starker politischer Wille auf Eigenständigkeit bzw. stärkerer Anbindung an Russland artikulierte.

Ich bin überzeugt eine Demokratie kann nur gedeihen, wenn sie auf einer starken Zivilgesellschaft basiert, das heißt wenn die Menschen sich zahlreich und häufig zu Wort melden und in die Politik, die “öffentliche Sache” einbringen. Im Grundgesetz heißt es “Alle staatliche Gewalt geht vom Volke aus”. Diese Gewalt muss sich ab und zu zeigen, damit die Demokratie am Leben bleibt, dafür genügt die Teilnahme an Wahlen nicht. Die Mitarbeit in Parteien, das Engagement in Nichtregierungsorganisationen, die Beteiligungen an Kampagnen, Demonstrationen und am öffentlichen Diskurs sind deshalb sehr wichtig.

Die Bewohner der DDR haben in ihrer friedlichen Revolution von 1989 deutlich ihre Souveränität ausgedrückt, durch ihr Handeln in Form von Demonstrationen in einer Diktatur und durch ihren Slogan “Wir sind das Volk”. Mit ihrem späteren Slogan “Wir sind ein Volk” wurde nach meinem Eindruck zum Ausdruck gebracht, daß sie sich als Teil eines gemeinsamen Demos verstehen, der nach meiner Einschätzung die Legitimität hat, darüber entscheiden zu können wie es mit Deutschland innerhalb Europas weitergehen soll.

Falls Deutschland an einer Europäischen Verfassung eines europäischen Bundesstaates mitarbeiten würde und diese seiner Bevölkerung in einem Referendum vorlegen würde, die in welcher genauen Form auch immer das Grundgesetz entsprechend Artikel 146 ersetzen würde, wäre dies nur dann möglich, wenn diese künftige europäische Verfassung die Kompetenzkompetenz eindeutig den Deutschen und den anderen europäischen “Völkern” zuweisen würde, und zwar unabänderbar.

Die einzige Alternative zu diesem Vorgehen wäre eine quasi revolutionäre Artikulation eines Europäischen Demos, das so eindeutig ist, dass es sich durch den Akt dieser Artikulation eine europäische Verfassung gibt, analog zur Verfassung nach der französischen Revolution. Dies halte ich aber nur für eine theoretische Möglichkeit, zumindest für die nächsten 50 Jahre.

Übertragen auf den Weltstaat wäre ein solcher zentralistischer Weltstaat, bei dem die Kompetenzkompetenz bei allen Menschen gemeinsam läge nur durch einen revolutionären Akt dieses Weltdemos möglich, der so überzeugend wäre, daß sich tatsächlich darauf ein Weltstaat mit einer Weltverfassung konstituiert und die überwiegende Mehrheit der Menschen, dies für sich auch als angemessen empfinden. Dies halte ich für  unrealistisch.