Sonntag, 28. August 2016

Was hätte Karl Popper zur Burka und zur Einwanderungspolitik in Deutschland gesagt?

Sollte Deutschland bzw. Europa die kulturell-religiös motivierte Vollverschleierung von Frauen im öffentlichen Raum akzeptieren? Ist dies geboten in einer offenen toleranten Gesellschaft oder ist dies viel mehr ein Signal, dass unsere wertebasierte Gesellschaft scheitert, weil sie ihre Werte - hier die Gleichberechtigung von Mann und Frau - nicht verteidigt?

Wie hätte der politische Philosoph Karl Popper (1902-1994) Autor von "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (1945) dies bewertet?

Laut Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Offene_Gesellschaft zeichnet sich eine offene Gesellschaft nach Popper gegenüber einer ideologisch festlgelegten geschlosseneen Gesellschaft dadurch aus, dass zu ihr kein für alle verbindlicher Heilsplan gehört und dadurch ein intelektueller Meinungsaustausch gestattet (und notwendig) ist, der kulturelle Veränderungen ermöglicht. Popper argumentiert gegen die Ideologien Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus, nicht aber geben Religionen mit politischem Führungsanspruch. Diese spielten 1945 in Europa keine machtpolitische Rolle. Die Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht hat in Europa lange Tradition (Päpste und Kaiser), obwohl es durchaus Auseinandersetzungen dazu gab (Canossa, Augsburger Interim https://de.wikipedia.org/wiki/Augsburger_Interim ). Jesus als Begründer des Christentums hatte nie politische Führungsansprüche angemeldet ("Gebt des Kaisers was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist") und auch in der römischen Republik und der athenischen Polis gab es meistens ein Nebeneinander von religiöser und politischer Macht obwohl es auch Vermischungen gab (zum Beispiel Erhöhung des Augustus zum Gott/ Epiphanie https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserkult ). Im Judentum gab es mit Moses zwar einen (historisch nicht belegten) politischen Führer, der gleichzeitig Mittler zu Gott war, später gab es aber neben den Königen religiös mächtigere Autoritäten wie die Propheten, Rabbis und Hohe Priester. Mohamed war in Medina auch zum politischen Führer geworden und die Ausbildung des Kalifats https://de.wikipedia.org/wiki/Kalifat nach seinem Tod verfestigte den Anspruch des Islam in seinen wichtigsten Formen auf der Einheit von Politik und Religion zum Segen aller. Minderheiten wurden höchstens toleriert nicht aber als ebenbürtig angesehen, die die gleichen Rechte hätten die Gesamtgesellschaft zu gestalten. Dass eine Theokratie https://de.wikipedia.org/wiki/Theokratie bzw ein Gottesstaat auch heute in islamisch geprägten Ländern noch eine Rolle spielt zeigt nicht nur die Terrormiliz Daesh (IS) https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_(Organisation)#Ideologie sondern auch der Iran oder die Machtambitionen der Muslimbruderschaft in Ägypten mit ihren Verbindungen zu Erdogan in der Türkei http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/erdogan-und-akp-sollen-unterstuetzer-von-islamisten-sein-14390674.html. Auch in Saudi-Arabien ist eine fundamentalistische Form dies Islam, der Wahhabismus Staatsdoktrin. Dieser ist so starr und vergangenheitsorientiert, dass er im Gegensatz zu einer Theokratie auf göttlich inspirierte Herrscher verzichten kann und dass diese neben der Sicherung ihrer weltlichen Macht nur darauf achten müssen, dass einmal fixierte religiös-gesellschaftliche Gebote und Verbote auf Dauer umgesetzt werden. Mittlerweile ist klar, dass die türkische staatliche Religionsbehörde (DITIB) über die Entsendung fast aller türkischer Imame in die türkischen Moscheegemeinden in Deutschland ihre fundamentalistischen Wertvorstellungen nach Deutschland exportiert. Auch die weltweit über Bildung agierende Gülen-Bewegung verfolgt wahrscheinlich das Ziel eines (pan)islamischen Staates siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Nurculuk) Zu einer freien Gesellschaftsordnung passende islamsiche Vorstellungen, wie sie an deutschen Hochschulen auch für den bekenntnisgebundenden Religionsunterriecht gelehrt werden, können bisher nur wenig Wirkung entfalten. (siehe Interview mit Abdel-Hakim Ourghi in der Neuen Zürcher Zeitung. Er ist Leiter des Fachbereiches Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Breisgau: http://www.nzz.ch/feuilleton/zeitgeschehen/abdel-hakim-ourghi-im-gespraech-dieser-islam-gehoert-nicht-zu-deutschland-ld.112710) Eine nach innen gerichtete individuell-spirituelle Form des Islam, der Sufismus (siehe http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/ilija-trojanow-ueber-sufismus-14394753.html) passt nach meiner Einschätzung ebenfalls zu einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, spielt aber gesellschafltich sowohl in Europa wie auch in arabischen Ländern und der Türkei  nur eine untergeordnete Rolle. Letztlich sind wohl nur die Formen des Islam mit der offenen Gesellschaft kompatibel, die nur den Teil des Koran, der in Mekka entstand, verbindlich ansehen und zudem die Trennung von Religion und Staat akzeptieren und den Pluralismus religiöser Erfahrungen akzeptieren.
Deutlich formuliert der Islamwissenschafter Abdel-Halin Orghi in der FAZ: "Eine entschiedene Trennung von weltlichen und religiösen Angelegenheiten kam (im Islam) nie zustande. Die Freiheit des Individuums ist dem Islam bis heute fremd." http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/der-islam-braucht-eine-reformation-14407083.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Im Fazit kann man wohl sagen, dass Popper die gängigen Formen des Islam wie sie in der Türkei (sunnitischer Islam) , dem Iran (schiitischer Islam) und Saudi-Arabien (wahhabitischer Islam) praktiziert werden als Feinde der offenen Gesellschaft benannt hätte.

Wie mit diesen Feinden umzugehen ist, ist dann die zweite Frage. Sicher nicht so, dass die eigenen Regeln des Rechtstaates, der Demokratie und der Menschenrechte dabei verletzt werden dürfen. Was könnte der Staat tun? Deutscher Staatsbürger sollte zum Beispiel nur werden können wer sich zum Grundgesetz und zur Trennung von Religion und Staat bekennt. Eine Teilhabe am öffentlichen Leben und die Wahrnehmung des Wahlrechtes, von Gerichtsangelegenenheiten und von Behördenangelegenheiten in Vollverschleicherung ist kaum möglich. Dies sollte der Staat deutlich machen.

Vielleicht hätte Popper gesagt, dass das Tragen der Burka von einigen ganz gut ist, denn sie zeigen, dass die "Feinde" (eher freiheitsfeindliches Verhalten) der offenen Gesellschaft tatächlich unter uns sind und dass die Freiheit des Individuums und die Gleichberechtigung von Mann und Frau keine fest etablierten Rechte sind sondern immer der Gefahr unterliegen unterzugehen.

Als Maxime für eine offene Gesellschaft schlägt Popper nicht die Maximierung des Glückes sondern die Minimierung des Leidens vor. Wenn Polizisten an einem öffentlichen Strand eine Frau zwingen einen Burkini abzulegen wird dies dem meine Meinung nach nicht gerecht. Eine Burka zeitweilig abzulegen um zum Beispiel eine polizeiliche Personenkontrolle durchführen zu können oder während der Wahrnehmung von Behördenterminen auch zum Beispiel bei Elterngesprächen in der Schule halte ich dagegen für zumutbar.

Außerdem muss es in einer offenen Gesellschaft möglich sein, eine offene Debatte über die Größenordnung der Zuwanderung aus Ländern mit geringer demokratischer Tradition und fehlender Trennung von Religion und Staat zu führen, ohne den Debattengegner auszugrenzen. Eine Demokratie kann nur so gut funktionieren wie auch an der Basis ein Gefühl für ihre Verletzbarkeit da ist und für die Notwendigkeit sie durch eigenes Eintreten lebendig zu halten. Während die Bürger der DDR in der friedlichen Revolution von 1989 gezeigt haben, dass sie nach vielen Jahrzehnten die Kraft und den Mut hatten für ihre politische Freiheit einzutreten, mussten die Westdeutschen dies nie zeigen. Demokratie ist also bei uns schon keine Selbstverständlichkeit, eine politisch kluge Einwanderunspoltik, die darauf achtet wer bei uns einwandert, ist deshalb existenziell für unsere Demokratie. Deutlich wird diese Problematik auch im Böckenförde-Diktum:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert.

siehe https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6ckenf%C3%B6rde-Diktum


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