Freitag, 6. Juli 2012

Gastbeitrag von Singulus zur Eurozonenkrise

Ohne Abwertungsmöglichkeit und Strukturreformen werden Länder wie Griechenland nicht auf eigene Beine kommen bzw. die Arbeitslosigkeit wird sich weiter steigern (in Spanien Jugendarbeitslosigkeit jetzt 54%!).

Während die Politiker das Gesicht wahren wollen und aus politischen Gründen ("Frieden für Europa") am Euro festhalten wollen, wird die öffentliche Meinung in den Krisenländern früher oder später erkennen, daß die Probleme nicht an Deutschland liegen (wie man zu ca. 70% heute annimmt), sondern an der Euro-bedingten fehlenden eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Da notwendige Lohnsenkungen von ca. 20-30% politisch nicht durchsetzbar sind, wird sich das Arbeitslosenproblem so lange verschärfen, bis die
Arbeitnehmer erkennen werden, daß die simple Frage lautet: Will man den Euro oder will man wieder einen Arbeitsplatz? Damit dürfte sich das Schicksal des Euros von dieser Seite her entscheiden, so daß es voraussichtlich in zwei bis drei Jahren den Euro in seiner heutigen Form nicht mehr geben wird.
Die volkswirtschaftlich wohl beste Lösung wäre ein deutscher Euro-Austritt (Artikel am 02. Juli in der britischen "Financial Times": "A Euro crisis solution – a German exit"), dies wird aber aus politischen Gründen nicht stattfinden. Es ist also eher wahrscheinlich, daß die Mittelmeerländer nach und nach in den nächsten zwei bis drei Jahren austreten werden. Bis dahin können sich allerdings erhebliche weitere Verschuldungsberge auftürmen.
Bis zu einer marktwirtschaftlischen Lösung gibt es im Grunde nur zwei Wege, den praktisch schon seit Dezember nicht mehr selbständig lebenden Euro zu erhalten: Die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen in den Mittelmeerländern kann einerseits durch – im wesentlichen – Gelder aus Deutschland, andererseits durch neu gedrucktes Geld geschlossen werden. Zunehmend wird die zweite Alternative (EZB-Gelddrucken) notwendig werden, da, die Club Med-Probleme Deutschlands Finanzkraft
weit übersteigen. Dies hieße am Schluß dann auch deutlich mehr Inflation ....

Mittwoch, 4. Juli 2012

Bundestag und ESM


Mit dem Einknicken der Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel letzten Donnerstag und der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates zum ESM und zum Fiskalpakt haben die wichtigsten bundesdeutschen politischen Institutionen der Exekutive (Bundessregierung) und der Legislative (Bundestag, Bundesrat) versagt insofern, dass sie die Interessen des Souveräns sehr schlecht vertreten haben. 

In der historischen Perspektive ist Deutschland nicht das Land, das sich durch eine hohe Qualität von demokratischen Institutionen auszeichnet. England, die Schweiz aber auch Frankreich und die Niederlande haben da eine weitaus längere und bessere Tradition. 

Wenn die These von Acemolgu und Robinson in ihrem Buch „Why nations fail“ stimmt, dass für den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft weniger deren Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren sondern die demokratische Qualität ihrer politischen Institutionen zählt, dann ist es eigentlich nur konsequent, dass Deutschland mit diesen aktuellen Entscheidungen einen erheblichen Anteil seines Wohlstandes an die europäischen Nachbarn und/oder an weltweit agierende Finanzinteressen abgibt und in seinem Wohlstandsniveau zurückfallen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob die Judikative (das Bundesverfassungsgericht) so stark ist, dass sie das Versagen der anderen Institutionen ausgleichen kann. Wie auch immer, letztlich ist es Aufgabe des Souveräns, also von uns allen, an der Qualität seiner Institutionen zu arbeiten und sich so einzubringen, dass sie in Zukunft besser werden. Für noch nicht etablierte Parteien in Deutschland, die es diesbezüglich besser machen wollen, könnte es derzeit keine besseren Voraussetzungen geben.

Sonntag, 1. Juli 2012

Tipp einer Neuenjährigen


Gestern abend versuchte ich meiner Tochter in einem Satz die aktuelle Eurozonenkrise zu erklären: Das Problem sei, dass unsere Steuergelder in die schwächeren Euroländer flössen und deshalb dort weniger Anreize entstünden, selbst effizienter zu wirtschaften. Die Antwort meiner Tochter erstaunte mich: Immer würde über Geld geredet und gestritten. Es wäre doch klar, dass wir in Europa einander helfen wollen. Wir sollten einfach den schwächeren Ländern dabei helfen, dass sie diese Dinge hinbekommen aber eben ohne Geld. Das erinnert mich an die Hinweise von Nils Minkmar in seinem FAZ-Artikel, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-methode-merkel-ich-bin-doch-hier-was-wollt-ihr-mehr-11804172.html : Außenminister Genscher hätte in dieser Situation seinen 2. Wohnsitz in Athen genommen und sich erst einmal mit dem griechischen Außenminister angefreundet und der amerikanische Stil von public diplomacy wäre es gewesen, Bill Clinton oder Bush Senior mit Kraftwerken oder Krankenhäusern im Gepäck hinzuschicken. 

Millionen als Mutmacher unter Freunden statt Milliarden.

"Währung" das falsche Wort für den Euro ?


Erstaunlich wie viel Wahrheit in der tieferen Bedeutung eines Wortes liegen kann:

Das Wort „Währung“ stammt vom mittelhochdeutschen „Werunge“ ab. „Werunge“ ist mit dem Wortstamm „Wert“ und „Wahr“ verwandt. Das Englisch/Amerikanische „currency“ stammt vom mittleralter-lateinischen „currentia“ ab, was widerum vom lateinischen „currens“ abstammt. „currens“ bedeutet „rennend“. Im lateinischen und englisch/amerikanischen Kulturraum stand und steht also die Funktion des Geldes umzulaufen im Vordergrund, also den Warenverkehr zu erleichtern. Im deutschen Kulturraum war die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel wortbildend. Beide Funktionen sind wichtige Geldfunktionen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in der jeweiligen Gewichtung tatsächlich unterschiedliche Vorlieben gibt, die sich nicht nur in der Wortwahl, sondern auch in der Wertentwicklung einer Währung auswirken. Außerdem könnte man auch umgekehrt argumentieren, dass die mehr oder weniger unbewußt wahrgenommene Wortbedeutung die kulturellen Präferenzen einer Gesellschaft beeinflussen, ob sie eher eine stabile Währung entwickelt oder eher die Funktion eines flüssigen Warenaustausches im Vordergrund steht und der Werterhalt der genutzten Währung zweitrangig ist.
Im heutigen europäischen Zusammenhang schätze ich, dass die „lateinische“ Sichtweise dominierend ist und sich relativ schnell durchsetzen wird, auch und gerade in bezug auf den Euro. Dies konnte nicht deutlicher werden, als mit dem Ergebnis des EU-Gipfels vom Donnerstag. Die Idee Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen, wird wohl bald verschwinden. Deutschland ist seit einigen Jahren bereits in diesem Lernprozess wie der Anstieg der Immobilienpreise zeigt. Ich vermute, wenn wir Deutsche Europa wollen, sollten wir uns dieser Entwicklung öffnen. Vielleicht sollten wir nicht mehr von Währung sprechen, das wäre zu frustrierend, sondern, von „Lauferli“ ;-)? Wer hat eine gute Idee?

Mittwoch, 20. Juni 2012

Klasse statt Masse

Zur Frage wie die Zukunft der Europäischen Union zu gestalten ist, ist eine Möglichkeit noch mal neu zu schauen, wie auf europäischer Ebene Institutionen geschaffen werden könnten, die so gestaltet sind, dass sie sich durch außergewöhnlich große demokatische Qualität auszeichnen. Bei dem Prozess, dies im Einzelnen festzulegen, sollten wir gerade die Länder beteiligen, die hier die größte Erfahrung also die längste demokratische Tradition in Europa aufweisen. Das sind wohl Grossbritannien und die Schweiz. Letztlich wäre es gut, die europäischen Länder mit der höchsten institutionellen Qualität für diese europäsiche Union zu gewinnen bzw. von diesen abzufragen, wie sie sich die demokratische und institutionelle Gestaltung einer europäischen Union mit eigener Verfassung vorstellen, dass sie für sie attraktiv wäre. Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International könnte für die institutionelle Qualität ein Indiz sein. Länder mit einem guten Korruptionswahrnehmungsindex in Europa sind Dänemark, Finnland, Schweden, Niederlande, Schweiz und Norwegen. http://www.transparency.de/Corruption-Perceptions-Index-2.1742.0.html

Für welche Politikbereiche bestünde denn die Aussicht, dass für alle diese Länder bei außergewöhnlich guten demokratischen Verfahren und Institutionen die europäische Union eine attraktive Ebene für die politischen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative wäre?

Möglicherweise nicht für viele aber lieber wenig und das richtig gut zusammen erledigen, eben Klasse satt Masse.

Ich persönlich könnte mir aus deutscher Sicht hier gut die Außen-und äußere Sicherheitspolitik auch mit einer gemeinsamen Armee vorstellen, sowie die Bereiche Umwelt, Wettbewerb, Verkehr und Gesundheit. Bei der Fiskalpolitik, Geldpolitik, Konjunkturpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Familienpolitik  und der Energiepolitik, wäre ich da vorsichtiger. Die Bildungspolitk und Kulturpolitik und die innere Sicherheit würde ich weiterhin auf der Ebene der Bundesländer ansiedeln.



Freitag, 15. Juni 2012

Frage zu Europa

Bisher besteht in Europa Konsens, dass die europäische Union wichtig ist, um mögliche militärische  Konflikte zwischen Nationalstaaten zu verhindern. Das ist bei der Erfahrung des zweiten Weltkrieges verständlich.

Kann es sein, daß die Angst vor einem Rückfall in zu starkes nationalstaatliches Denken eine Generationenfrage ist?

Kann es sein, daß die jüngere Generation da entspannter ist und die europäische Integration mehr und mehr Teil des Selbstverständnisses ist?

Kann es sein, daß wir uns deshalb entspannt in Europa in Richtung einer demokratischen Union souveräner Staaten weiterentwickeln können?

Vielleicht kann die Piratenpartei aufgrund ihres Altersmixes und ihres grundsätzlichen Potentials in der Vernetzung mit den anderen europäischen Piratenparteien dazu den Diskurs zu gestalten hier eine Vorreiterrolle spielen.

Dienstag, 12. Juni 2012

Gefahr für die Demokratie

Mit der weiteren Zuspitzung der Eurozonenkrise/Staatsschuldenkrise nehmen die Bemühungen der europäischen Regierungen und  Institutionen zu, durch weitreichende Veränderungen das bisherige System doch noch zu retten. Nachdem ESM und Fiskalpakt die Lage nicht beruhigen konnten, steht jetzt eine Bankenunion, eine Fiskalunion http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spiegel-eu-plan-fuer-eine-echte-fiskalunion-a-837949.html und eine politische Union  http://www.focus.de/politik/ausland/eu/arbeitsplan-fuer-politische-union-merkel-sieht-europa-der-zwei-geschwindigkeiten_aid_763650.html auf der Agenda. Ganz deutlich bringt es der laut unterrichteten Kreisen weithin anerkannte grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold auf den Punkt: " "Es geht um ein Bekenntnis zum Euro", sagt der Grünen-Abgeordnete Giegold. "Wir müssen uns endlich entscheiden, ob wir unsere Währung aufgeben wollen oder einen Teil unserer nationalen Souveränität." " gefunden hier: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-06/euro-banken-regulierung/seite-1
Meine persönliche Meinung ist, daß ich zwar für Europa und eine weitere Integration bin, dass ich aber immer skeptischer geworden bin, ob dabei der Euro hilfreich ist sowohl für Deutschland als auch für alle anderen Euro-Länder. 
Nicht nur bei mir schlagen dabei die Alarmglocken. Medien, Parteien und Personen, denen ich sonst  nicht nahe stehe, geht es ähnlich, siehe hier:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article106488386/Deutschlands-neue-Rolle-als-Krisen-Suendenbock.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schuldenkrise-europa-in-not-deutschland-in-gefahr-11781892.html
Wie in meinem Blogbeitrag zur sunk cost fallacy
http://liberalundkooperativ.blogspot.de/2012_03_01_archive.html  beschrieben, glaube ich, dass die etablierten Politiker aus Angst vor dem Scheitern ihres Projektes und damit ihrem eigenen Scheitern immer größere Geschütze auffahren. Ich habe keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber einer politischen Union, wobei ich noch gar keine Debatte darüber erkenne ob wir einen Bundesstaat oder einen Staatenbund wollen. Was es auch sein soll, es muß jedoch aus sich heraus Sinn machen und nicht geschaffen werden, um den Euro zu retten. Die aktuellen EU-Institutionen EU-Kommission und EU-Ratspräsidentschaft sind demokratisch unzureichend legitimiert. Dies müßte zunächst verbessert werden. Außerdem müßte die Möglichkeit von Volksentscheiden gestärkt werden. Es wäre auch zu prüfen, ob es neben dem EU-Parlament eine zweite Kammer wie in den USA oder in Deutschland geben sollte.
Grundsätzlich denke ich, daß die Qualität der politischen Institutionen eines Landes oder eines Staatenbundes/Bundesstaates entscheidend für den langfristigen Wohlstand seiner Bürger ist, wie es in dem Buch "Why nations fail" von Acemoglu und Robinson dargelegt wurde. http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies langfrisitg wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute Wirtschaftspolitik. Man muß sich nur einmal den exorbitanten Wohlstand der Schweiz im Detail anschauen inklusive der ausgeglicheneren Verteilung des Wohlstandes im Vergleich zu den meisten anderen Ländern. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen lag in der Schweiz in 2009 schon über 9000 Franken, siehe z.B. Seite 11 von http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.html?publicationID=4800 Der GINI-Index scheint dabei weitgehend stabil (siehe Seite 27).

Mein aktueller Stand noch sehr grober Stand ist, dass folgende Regeln formuliert werden sollten:

1. keine zusätzliche Übertragung von politischen Entscheidungsbefugnissen von nationaler Ebene auf europäische Ebene, bei der die europäische Ebene nicht mindestens genauso stark demokratisch legitimiert wird wie die nationale Ebene (z.B. direkte Wahl und Abwahl der Mandatsträger durch die Bevölkerung)
2. Analyse in wie weit dies in der Vergangenheit bereits falsch gelaufen ist
3. Messung der Qualität der wichtigsten politischen Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene (dazu Entwicklung von Meßkriterien in einem demokratischen Verfahren)
4. keine zusätzliche Übertragung von politischen Entscheidungsbefugnissen von nationaler Ebene auf europäische Ebene, bei der die europäische Ebene über einen verlässlichen Zeitraum qualitativ nicht mindestens genauso gut gemessen wurde wie die abgebende Institution auf nationaler Ebene.
5. Analyse in wie weit dies in der Vergangenheit bereits falsch gelaufen ist