Montag, 27. August 2012

EZB statt ESM

Aktuell spricht vieles dafür, dass die ECB entgegen dem Widerstand der Bundesbank Staatsschuldenfinanzierung in Europa betreibt, siehe hier:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/jens-weidmann-gegen-anleihekaeufe-eine-gegenstimme-viele-deutungen-11842817.html

Interessant wäre zu erfahren, ob Deutschland irgend eine Handhabe hat, falls die ECB dauerhaft und massiv entgegen ihrem vertraglich festgesetzen Mandat Staatsfinanzierung und Bankenrettung betreiben wird. Könnte man die ECB verklagen auf Unterlassung? Ich vermute nicht.

Ist das jetzt ein Fall, der zeigt, dass es schief gehen kann, wenn man von einer relativ starken Institution (Bundesbank) Souveränität auf eine andere politische Institution überträgt (ECB)? Ich vermute ja.

Ist das eh alles egal, insofern dass auch Deutschland ja selbst frühzeitig z.B die Maastricht-Kriterien gebrochen hat? Ich denke Rechtsstaatlichkeit ist immer noch ein extrem wichtiges Prinzip, auf allen Ebenen. Ich denke außerdem, dass es zeigt, dass es besser wäre auf europäsicher Ebene auch eine Verfassung und ein Verfassungsgericht zu haben (wenn auf dieser Ebene bereits so viele Entscheidungsbefugnisse angesiedelt sind) und im Zweifel sogar eines, dass berechtigt wäre Mandantsverletzungen einer sonst unabhängigen Institution wie einer Zentralbank zu unterbinden (wenn sie eindeutig gegen die Verfassung verstösst).

Oder ist das eher ein Fall, dass wir nicht so borniert sein sollten und uns neuen Erfordernissen anpassen sollten? Eher nicht, denn dann müßte darüber offen debatiert werden und zum Beispiel das Mandat der ECB angepasst werden. Ich sehe nicht, dass dies Debatte geführt wird und dieser Prozess demokratisch stattfindet.

In einer politikphilosophischen Perspektive zeigt sich auch hier, das Deutschland quasi "kantisch"/konstruktivistisch mit den Vorgaben eines klaren Mandates Geldwertstabilität und Unabhängigkeit unterwegs ist und dass alle anderen Länder eher pragmatisch/realpoltisch agieren.
Wie ist das zu bewerten? Am kreativsten wäre es wohl, das Positive daran zu sehen, dass wir uns eben gerade mit unseren unterschiedlichen Kulturen in Europa auseinandersetzen und die Chance haben, zu einer Synthese zu finden. Draghi geht ja auch zumindest etwas auf die deutsche Position mit der Forderung nach Konditionalität ein. Ich vermute unter dem Strich kann dabei sogar etwas Besseres herauskommen als  bei der Geldpoltitk der FED  oder der Bank of England. Falls alle drei Finanzsysteme kollabieren, ist es wohl aber nur ein gradueller Unterschied oder die Frage wer zuerst kollabiert. Zur Zeit ist mehr Drama in Europa aber mittelfristig fährt die USA die riskantere Geldpolitik. Dazu passt:

Maximilian Steinbeis: Generally, the treaties have stirred a tremendous lot of unrest in Germany. Many fear for democracy itself. Not so in France, apparently. Why is that?

Guy Carcassonne, professor of constitutional law at the University of Paris: The explanation is quite simple: German people are far more serious than French people (laughs). They are far more into principles, whereas in French politics they struggle about symbols. As to parliamentary democracy, the French parliament is not as prominent as the German one. People here are much accustomed to parliament being quite obedient to the executive power, and so, if the parliament loses some ability or another, it’s not a trauma. Most of the budget is run by the government, anyway.

http://verfassungsblog.de/embark-global-constitutional-process-fail/#comments

Meine aktuelle Einschätzung zur Frage einer möglichen Synthese ist allerdings, dass das zu optimistisch ist und die unterschiedlichen Kulturen in Europa nicht genügend berücksichtigt. Vielleicht könnten wir dorthin nach 20 Jahren eines guten Miteinanders gelangen, bei dem in diesem Bereich erst mal jeder nach seiner Facon glücklich werden kann.

Freitag, 3. August 2012

Olympia 2012

Ich denke einen Medaillenspiegel muss man nicht übertrieben wichtig nehmen, aber wenn er schon mal da ist, warum dann nicht ergänzend die Europäische Union ausweisen?

Freitag, 13. Juli 2012

Neues von der Eurozonenkrise

1. Spanien: Der spanische Wirtschaftsminister hat einen schweren Stand, aber er macht das Beste daraus, Respekt:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html

Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.

2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html

Schützenhilfe für das Bundesverfassungsgericht

1. Bundesbankpräsident Weidmann stellt sich im Streit um den ESM nach meiner Interpretation nicht auf die Seite der Bundesregierung :

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verhandlung-vor-bundesverfassungsgericht-der-bundesbankpraesident-zweifelt-an-den-esm-regeln-11816452.html

2. der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof stellt sich nach meiner Interpretation auf die Seite der Kläger:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html

Mit den 200 Ökonomen um Sinn, mit Bundesbankpräsident Weidmann und mit dem ehemaligen Bundesverfassungrichter Kirchhof gibt es eine wichtige Personengruppe, eine wichtige Institution und eine nicht unwichtige Einzelperson, die bei einer Ablehnung des Vertrages zum ESM durch das Bundesverfassungsgericht informell die Verantwortung für die Folgen mit dem Bundesverfassungsgericht teilen würden. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen dafür, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei dem riesigen faktischen Druck der Regierungen Europas, in ihrem Sinn zu entscheiden, sachlich fundiert entscheiden kann und wird.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Alternativen zum ESM

Ergänzend zu dem Vorschlag von debt equity swaps zur Rekapitalisierung südeuropäischer Problembanken siehe hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-die-risiken-der-rettungspolitik-11814959.html und hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-im-wortlaut-zur-europaeischen-bankenunion-11815081.html  könnte auch Schwarmfinanzierung ein konstruktiver Beitrag sein:

Verständnis-Frage:

Wie ist das eigentlich, wenn man sich bzgl. der südeuropäischen Krisenbanken auf debt equity swaps zur Rekapitalisierung einigen könnte. Würde das nicht bedeuten, dass in Bezug auf die jeweiligen Staatsschulden letztlich auch eine Teilinsolvenz wie in Griechenland geschehen weniger problematisch ist? Bisher wird ja so argumentiert, dass eine Teilinsolvenz von Staaten Probleme bei den systemrelevanten Banken auslöst, mit der Gefahr einer unkalkulierbaren Kettenreaktion.
Wäre so nicht dieser Teufelskreis von Staats- und Bankschulden unterbrochen? Und das Ganze sogar ohne einen ESM!?!



Dienstag, 10. Juli 2012

demokratische Qualität von politischen Institutionen


Die aktuelle Entwicklung in der Eurozone zeigt, dass in Krisensituationen auch die Bundesregierung mit einer grundsätzlich demokratischen Verfasstheit, Tradition und Ausrichtung im gut gemeinten Willen die Krise zu bewältigen, Tendenzen entwickelt, die faktisch die Demokratie gefährden, zum Beispiel, indem sie andere Teilnehmer im demokratischen Prozess tendenziell schwächt: wie die faktische Einschränkung der Rechte des Bundestages durch EU-Verträge (siehe ESM), das Unter-Druck-Setzen des Bundesverfassungsgerichtes über die Medien durch einzelne Politiker oder der Versuch notwendige Debatten über die Richtigkeit ihrer Politik zu unterbinden (Darstellung als alternativlos, auf die kritische Stellungnahme von mittlerweile 200 Ökonomen zum ESM wird mit Empörung und herabsetzender Kritik reagiert). Noch größer ist die Gefahr der Schwächung demokratischer Institutionen auf der europäischen Ebene, da hier die Institutionen bis dato ein strukturelles Demokratiedefizit aufweisen (keine Verfassung, keine repräsentative Wahl, keine vom Parlament gewählte Regierung, kein Recht zur Gesetzesinitiative des Parlamentes). In der Bevölkerung ist hier viel eher eine Wahrnehmung für diese Gefahren vorhanden.

Bezüglich einer Debatte über die demokratische Qualität unserer politischen Institutionen und von sinnvollen Schlussfolgerungen und Lösungsmöglichkeiten stehen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene noch ganz am Anfang.

Nach dem Buch "Why nations fail" von Acemoglu und Robinson http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 bestimmt die Qualität der politischen Institutionen eines Landes entscheidend den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies langfristig wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren. Qualität machen sie dabei daran fest, ob die Institutionen extraktiv sind, also eher so konstruiert sind, dass sie einer Minderheit dazu dienen eine Mehrheit materiell auszunutzen oder „inkludierend“ also so konstruiert sind, dass mehr oder weniger alle in der Gesellschaft am Wohlstand teilhaben, zumindest hinsichtlich einer gewissen Chancengleichheit (historisch z.B. Nordamerika versus Südamerika). Auch hier stehen wir erst am Anfang der Wahrnehmung dieser Zusammenhänge und einer Debatte über die sinnvollen Schlußfolgerungen. Inbesondere stellen sich die Fragen, 1. ob die Autoren recht haben, 2. wie diese Erkenntnisse grundsätzlich zu einer Stärkung der demokratischen Qualität von politischen Institutionen genutzt werden können, 3.ob und wie sich diese Erkenntnisse auch auf die supranationale Ebene übertragen lassen, insbesondere die Europäische Union und wie sie dort angewandt werden können und 4. ob nicht auch in den historisch eher inkludierenden westlichen Industrienationen sich mehr und mehr Tendenzen breitmachen, die eher extraktiven Charakter haben und wie sinnvoll damit umgegangen werden kann.

Mein bisheriger Stand ist der, dass man versuchen sollte, die demokratische Qualität von politischen Institutionen zu messen, indem man geeignete Meßkriterien festlegt und unabhängige Organisationen findet, die dies übernehmen können (evtl. ähnlich wie Transparency International oder abgeordnetenwatch.de ein institutionenwatch.de/eu.) Die Ergebnisse sollte man bei einer zukünftigen institutionellen Umgestaltung Europa berücksichtigen.

Außerdem sollte man alle demokratischen Prozesse unterstützen, bei denen die Bevölkerung sich politisch einbringt und so selbst quasi ständig auf die politischen Institutionen Druck ausübt, dass diese inkludierend werden oder bleiben. Ich glaube, dass eine Debattenkultur durch das Internet mit Foren, Blogs, Kommentierungsmöglichkeiten genau in die richtige Richtung geht, ebenso wie Volksentscheide.