Freitag, 14. Dezember 2012

Wie Piraten besser zusammenarbeiten

Es gibt Strömungen im Selbstverständnis der Piratenpartei Deutschland, deren Kenntnis die praktische politische Arbeit erleichtert und hilft Konflikte zu lösen:

Menschen sind zu unterschiedlichen Zeiten zur Piratenpartei dazugestossen.

Ich vermute, dass zu Beginn die Mitglieder internertaffine Menschen waren, denen es um bessere politische Antworten im Bereich Internet ging. Als sie hier erfolgreich waren, weitete sich der Blick auf andere benachbarte Themen. Als sie auch hier erfolgreich waren und sich zeigte, dass auch die Art der Piraten Politik zu machen, neu und vielversprechend ist, entwickelte sich ein Interesse zu noch mehr, letztlich zu allen gesellschaftlichen Themen politische Antworten zu formulieren.

Dabei gibt es nach meiner Wahrnehmung zwei Strömungen:

Piraten, die schon länger dabei sind, suchen auf Basis von piratigen Grundüberzeugungen nach neuen Antworten: Zum Beispiel überlegt man, ob ein Ansatz wie Netzneutralität als ein Ordnungsprinzip in der Wirtschaft anwendbar ist, aus der Tatsache, dass die Piraten selbst eine transnationale Bewegung sind, formuliert man die Forderung, dass die Aussenpolitik das Wohlergehen aller Menschen der Welt im Auge behalten muss.

Piraten, die erst später dazugekommen sind, vielleicht nach dem Erfolg bei der Berliner Wahl im Herbst 2011, sind stark angezogen von der neuen Art Politik zu machen und sehen die Piraten als Mitmachpartei. Ihnen geht es darum mit der piratigen Methode und auf der Basis einer grundsätzlichen Werteübereinstimmung die besten politischen Antworten auf die jeweiligen gesellschaftlichen Fragen zu finden.

Urpiraten:   nur Kernthemen
Mittelpiraten: Piratenperspektive zu weiteren oder allen Themen
Neupiraten: mit piratiger Methode zu neuen Antworten zu allen Fragen

Eine Piratenpartei aus Urpiraten und Mittelpiraten wäre eine Art Klientelpartei für internetaffine Menschen. Sie würde politische Antworten formulieren mit internetaffinen Menschen als Zielgruppe.

Neupiraten sehen das Potential, mit der Piratenmethode zu gesellschaftlichen Antworten zu kommen, die den Antworten aller anderen Parteien überlegen ist. Überlegen heisst, dass sie für die Gesellschaft als Ganzens die jeweiles besten Antworten sind. Sie haben als Zielgruppe alle Menschen einer Gesellschaft.

Ich denke alle drei Strömungen haben auch in Zukunft ihre Berechtigung. Sie sollten aber voneinander wissen und sich respektieren. In der Formulierung von politischen Antworten kann es dabei zu Konflikten kommen, die mehr oder weniger gut auflösbar sind. Es ist eine Abwägungssache und letztlich eine basisdemokratischer Prozess, bei welchen Themen welche Perspektive wie stark die jeweilige politische Antwort prägt.

Mittwoch, 19. September 2012

Pragmatismus versus Konstruktivismus

Ergänzend zu meinen Feststellungen vom 12.09.2012 hat das Urteil des BVerG eine noch tiefergehende Bedeutung:

Wie an anderer Stelle noch näher auszuführen gibt es in Europa unterschiedliche Politikstile, die auf unterschiedlichen Ansätzen der politischen Philosophie der jeweiligen Länder basieren. In Deutschland wird über einen stark von Kant geprägten "Konstruktivismus", der die Welt im Schillerschen Sinn geistig vorweg nimmt, ein Ideal gestaltet und versucht dieses umzusetzen. In Frankreich und England und möglicherweise auch in Südeuropa dominiert ein Pragmatismus, der schaut wie die Verhältnissen sind und wie sie im Sinne der jeweiligen Interessen verändert werden können, wenn man die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt.

Mein bisheriger Stand war der, dass durch die europäische Integration die Notwendigkeit und die Chance besteht, beide Ansätze zu einer Synthese zu integrieren und dass auf dieser Basis eine bessere politische Praxis entstehen könnte.

Das BVGer ist bisher von seinem Grundverständnis und auch mit seinen Positionen zur Europäischen Integration sehr vom deutschen Konstruktivismus geprägt.

Wie das Urteil zeigt, kann es diese Linie aber in der aktuellen Konstellation nicht aufrecht erhalten. Das bedeutet, dass es wohl weniger zu einer Synthese dieser Politikstile kommt, sondern es wahrscheinlicher ist, dass Deutschland seine Kultur Politik zu gestalten auf der europäischen Ebene aufgeben oder zumindest stark anpassen muss. Es wäre dann naiv für deutsche Parteien anzunehmen, dass sie zum Beispiel in Europa gemeinsam mit den Partnern politische Instiutionen aufbauen können (europäische Verfassung, Europäischer Verfassungsgerichtshof), der anolog zur deutschen Situation durch einen starken Konstitutionalismus geprägt ist. Analog zu der von mir am 12.09. beschriebenen Situation des Euro, der nach derzeitigem Ermessen wohl zur Weichwährung wird,  wären auch eine Europäische Verfassung und eine europäische Verfassungsgerichtsbarkeit stärker der Politik untergeordnet und damit defakto pragmatisch ausgerichtet. Hier hat sich das BVerG bereits eingeordnet.

Beleg:

siehe zum Beispiel hier

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1864919/

Auszug:

ZITAT: "Ich denke, dass sicherlich in sehr vielen Mitgliedsstaaten, das hängt auch sehr stark von ihrer Prägung ab, vielleicht auch der französische Rechtskreis, das französische Verständnis von Recht und Politik, das ist ja nicht nur in Frankreich, sind ja auch andere Mitgliedsstaaten, die so ticken dann, doch der Primat des Politischen höher ist, und deshalb diese starke Verrechtlichung, für die das Verfassungsgericht ja steht, mit einem Stirnrunzeln gesehen wird"

, sagt Frank Schorkopf, Völker- und Europarechtsprofessor von der Universität Göttingen.

"Ich habe das selbst mal erlebt, dass dann französische Juristen sagen: Wenn es einen politischen Konsens gibt, wo ist dann das Problem? Dann wird das Recht eben geändert und angepasst."

In Deutschland ist man gewohnt, die Politik als ein Produkt der Verfassung zu sehen. In den meisten anderen Ländern ist es eher umgekehrt: Die Verfassung ist ein Produkt der Politik.  ZITAT ENDE

link zum Konstruktivisums in der Politikwissenschaft:
http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1515654764863071672#editor/target=post;postID=7759830528328212971
link zum Konstitutionalismus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstitutionalismus

Freitag, 14. September 2012

Euro Dollar AUD

Der starke Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar im letzten Monat hat mich sehr verblüfft. Fundamental sehe ich dies in dieser Größenordnung nicht begründet. Das Einzige, das mir als Erklärung dazu einfällt, ist, dass auf den Finanzmärkten durch die Entscheidungen der EZB, des BVerG und der FED und deren Vorwegnahme durch die Märkte innerhalb kurzer Zeit sehr grosse Anlagebeträge in den Euroraum geflossen sind. Wie geht es weiter? Bis auf weiteres werden diese Gelder hier bleiben, es werden möglicherweise noch welche hinzukommen. Wenn aber andere Meldungen auftauchen, die kritisch gegenüber der Eurozone sind, kann sich diese Entwicklung sehr schnell umkehren. Außerdem kann es grosse Volatilitäten geben. Sieht das bezüglich EUR.AUD anders aus? Fundamental scheint mir die Aufwertung des AUD stabiler und weniger volatil (auch wenn die 4 letzten Wochen und die heutige Tagesentwicklung das nicht zeigen), da die Probleme in Südeuropa gross sind und fundamental fortbestehen und die Massnahmen von ESM und EZB die Geldmenge eher erhöhen werden. Vielleicht ist der AUD aber insofern volatiler, dass der Markt dafür kleiner ist. Ausserdem gibt es da auch Risiken, wenn der Rohstoffhunger Südostasiens im Zuge einer möglichen konjunkturellen Abkühlung nachlässt. Falls es zu einem grösseren Krieg kommt, was ich nicht hoffe, wird die Risikoneigung der Finanzmärkte zurückgehen und das den Dollar stärken.

Mittwoch, 12. September 2012

Nach dem Urteil

Wo stehen wir in Europa heute?

Erstens haben sich traditionelle deutsche Interessen an einer stabilen Währung und soliden Haushaltspolitik offenkundig in Europa nicht durchsetzen können. Rückblickend betrachtet muss sagen, dass eine gegenteilige Erwartungshaltung sehr ambitioniert war. Unabhängig von den Europäischen Verträgen und den politischen Akteuren und Institutionen ist das europäische Projekt so weit fortgeschritten, dass es soviel Masse hat, dass es quasi einfach weiter fährt.

Das heisst wir werden wohl eher eine Weichwährung in Europa bekommen, bzw. kein Geld mit der Funktion der Wertaufbewahrung, sondern eher ein Zahlungsmittel mit der Funktion Kauf/Verkauf und Zahlungen zu ermöglichen. Deutsche werden sich dem weiter anpassen, wie sie das bereits seit einigen Jahren tun, insofern sie Immobilien und andere Sachwerte kaufen. Das Sparbuch und die klassische Lebensversicherung haben ausgedient.

Etwas offener scheint die Frage, ob Europa bereits eine Transferunion ist und bleibt. Hier muss sich zeigen, wie die politische Willensbildung erfolgt.

Wie ist das insgesamt zu bewerten? Mit einem Zahlungsmittel anstelle einer Währung kann man auch als Deutscher leben. Letztlich ist hier wohl eine Mehrheit bereit dies als Nachteil für die europäische Integration zu akzeptieren, quasi ein praktischer Kurs in „savoir vivre“. Man kann sicher versuchen, das Zahlungmittel etwas stabiler zu machen, aber ob dies ins Gewicht fällt, muss sich zeigen.

Vom übergeordneten Standpunkt aus betrachtet gilt:

1. Der Wunsch nach einem vereinten friedlichen Europa mit guten demokratischen Institutionen auf allen Ebenen kann und sollte weiter verfolgt werden. Die Frage, wie die Institutionen und die Politiken auszugestalten sind, damit in Europa Ziele wie Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand, soziale Gerechtigkeit/Fairness und soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit möglichst gut erreicht werden, ist im politischen Prozess zu konkretisieren.

2. Es ist ziemlich transparent geworden, dass Demokratie kein Automatismus ist und dass auch unsere politischen Institutionen anfällig sind, an demokratischer Qualität einzubüßen und letztlich in ihrer Qualität durch die Wachsamkeit und die Beteiligung der Menschen immer wieder gestärkt werden müssen. Das heisst, es hat sich gezeigt, dass Demokratie letztlich nicht komplett deligiert werden kann, übrigens auch nicht an die Piraten. Jeder Mensch, der sich politisch engagiert und verantwortlich fühlt, ist grundsätzlich ein Gewinn für die Gesellschaft.

Ein differenzierter Artikel zur Zukunft Europas hier:


Montag, 27. August 2012

EZB statt ESM

Aktuell spricht vieles dafür, dass die ECB entgegen dem Widerstand der Bundesbank Staatsschuldenfinanzierung in Europa betreibt, siehe hier:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/jens-weidmann-gegen-anleihekaeufe-eine-gegenstimme-viele-deutungen-11842817.html

Interessant wäre zu erfahren, ob Deutschland irgend eine Handhabe hat, falls die ECB dauerhaft und massiv entgegen ihrem vertraglich festgesetzen Mandat Staatsfinanzierung und Bankenrettung betreiben wird. Könnte man die ECB verklagen auf Unterlassung? Ich vermute nicht.

Ist das jetzt ein Fall, der zeigt, dass es schief gehen kann, wenn man von einer relativ starken Institution (Bundesbank) Souveränität auf eine andere politische Institution überträgt (ECB)? Ich vermute ja.

Ist das eh alles egal, insofern dass auch Deutschland ja selbst frühzeitig z.B die Maastricht-Kriterien gebrochen hat? Ich denke Rechtsstaatlichkeit ist immer noch ein extrem wichtiges Prinzip, auf allen Ebenen. Ich denke außerdem, dass es zeigt, dass es besser wäre auf europäsicher Ebene auch eine Verfassung und ein Verfassungsgericht zu haben (wenn auf dieser Ebene bereits so viele Entscheidungsbefugnisse angesiedelt sind) und im Zweifel sogar eines, dass berechtigt wäre Mandantsverletzungen einer sonst unabhängigen Institution wie einer Zentralbank zu unterbinden (wenn sie eindeutig gegen die Verfassung verstösst).

Oder ist das eher ein Fall, dass wir nicht so borniert sein sollten und uns neuen Erfordernissen anpassen sollten? Eher nicht, denn dann müßte darüber offen debatiert werden und zum Beispiel das Mandat der ECB angepasst werden. Ich sehe nicht, dass dies Debatte geführt wird und dieser Prozess demokratisch stattfindet.

In einer politikphilosophischen Perspektive zeigt sich auch hier, das Deutschland quasi "kantisch"/konstruktivistisch mit den Vorgaben eines klaren Mandates Geldwertstabilität und Unabhängigkeit unterwegs ist und dass alle anderen Länder eher pragmatisch/realpoltisch agieren.
Wie ist das zu bewerten? Am kreativsten wäre es wohl, das Positive daran zu sehen, dass wir uns eben gerade mit unseren unterschiedlichen Kulturen in Europa auseinandersetzen und die Chance haben, zu einer Synthese zu finden. Draghi geht ja auch zumindest etwas auf die deutsche Position mit der Forderung nach Konditionalität ein. Ich vermute unter dem Strich kann dabei sogar etwas Besseres herauskommen als  bei der Geldpoltitk der FED  oder der Bank of England. Falls alle drei Finanzsysteme kollabieren, ist es wohl aber nur ein gradueller Unterschied oder die Frage wer zuerst kollabiert. Zur Zeit ist mehr Drama in Europa aber mittelfristig fährt die USA die riskantere Geldpolitik. Dazu passt:

Maximilian Steinbeis: Generally, the treaties have stirred a tremendous lot of unrest in Germany. Many fear for democracy itself. Not so in France, apparently. Why is that?

Guy Carcassonne, professor of constitutional law at the University of Paris: The explanation is quite simple: German people are far more serious than French people (laughs). They are far more into principles, whereas in French politics they struggle about symbols. As to parliamentary democracy, the French parliament is not as prominent as the German one. People here are much accustomed to parliament being quite obedient to the executive power, and so, if the parliament loses some ability or another, it’s not a trauma. Most of the budget is run by the government, anyway.

http://verfassungsblog.de/embark-global-constitutional-process-fail/#comments

Meine aktuelle Einschätzung zur Frage einer möglichen Synthese ist allerdings, dass das zu optimistisch ist und die unterschiedlichen Kulturen in Europa nicht genügend berücksichtigt. Vielleicht könnten wir dorthin nach 20 Jahren eines guten Miteinanders gelangen, bei dem in diesem Bereich erst mal jeder nach seiner Facon glücklich werden kann.

Freitag, 3. August 2012

Olympia 2012

Ich denke einen Medaillenspiegel muss man nicht übertrieben wichtig nehmen, aber wenn er schon mal da ist, warum dann nicht ergänzend die Europäische Union ausweisen?

Freitag, 13. Juli 2012

Neues von der Eurozonenkrise

1. Spanien: Der spanische Wirtschaftsminister hat einen schweren Stand, aber er macht das Beste daraus, Respekt:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html

Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.

2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html